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II. Die Baiern.
Reutter behauptet unter Berufung auf Luschin, Centenarii und
Hagustaldi kämen nirgends bei uns vor. Das trifft aber in dieser All
gemeinheit nicht zu.
Nicht nur, daß die von mir in der Raffelstettner Zollurkunde von
c. 904 nachgewiesenen Siebener-Kollegien und der im oberen Innviertel
begegnende Ortsname Mahlstätt (mahalsteti) auf fränkische Gerichts
verfassung und indirekt auch auf den Bestand von Hundertschaften im
Sinne der fränkischen Hufenverteilung weisen, es sind sogar die spezi
fisch fränkischen Bezeichnungen für die Organe dieser Einrichtungen
aus unseren Urkunden zu belegen.
Centenarii kommen in einer Urkunde 1 ) vom Jahre 802 in der Gegend
des Königshofes Mattighofen vor und der Umstand, daß sie in der Zeugen
reihe nicht auf den Comes und den Judex folgen, sondern mitten unter
den übrigen Namen stehen, scheint mir entschieden gegen die von manchen
Forschern vertretene Auffassung zu sprechen, sie seien Unterrichter
gewesen.
Ferner kann ich darauf hinweisen, daß gerade auf dem von Herzog
Tassilo dem Stifte Kremsmünster geschenkten und, wie wir noch sehen
werden, mit Westfranken besiedelten Dotationsgute im Traunviertel
nicht nur Dekanien, eine slawische ausdrücklich * 2 ), andere indirekt 3 ),
sondern auch die echt fränkischen Institutionen der Schultheißen 4 ) und
Haistalden 5 ) bezeugt sind.
In diesen Zusammenhang gehören auch die Beobachtungen, die
Strnadt über den Schrannenbezirk Mauerkirchen 6 ) und über die spätere
Grafschaft am Hausruck' gemacht 7 ) und nur irrtümlich auf Hundert
schaften aus der Zeit der ersten Landnahme bezogen hat.
Es liegen also genügende Anhaltspunkte zur Annahme vor, daß
wenigstens in jenem Teile des Landes, der herzogliches Fiskalgut war,
fränkische Einrichtungen, somit auch die karolingischen Hundert- und
Zehnerschaften bestanden.
Welches sind nun die ältesten Ortsnamen, die der Zeit
der ersten Landnahme angehören?
x ) Oö. UB. I, 459, n. 35.
2 ) Ebd. II, n. 2 (777).
3 ) Es sind 40 Kolonistenfamilien für 4 Orte bestimmt.
4 ) Noch im Urbar des Stiftes Kremsmünster von 1299 heißt das Verwal
tungsamt in dem schon im Stiftbrief genannten Leombach officium sculteti. —
Es sind übrigens auch in anderen Gegenden Baierns Beispiele zu finden. Im
niederbayer. AG. Pfarrkirchen begegnet c. 1140 ein Ort Scultheicingin (heute
Schuldholzing), im 14. Jahrh. bei Krems in NÖ. ein Schulthaitzental (Oö.
Stifturb. III, 11, n. 26).
5 ) Oö. UB. III, n. 93 f. (1241). In Bayern ist ein hagustalt schon in einer
Freisinger Tradition des 8. Jahrh. bezeugt (Ed. Bitterauf I, n. 27), als Passauer
Besitz nördlich und südlich der Donau begegnen ein Heistolfsdorf (mit dem
bekannten Wechsel von -olt und -olf), Haistoltgericht und Haistoltreut (MB.
28 2 , 170, 189).
ö ) Archiv f. österr. Gesch., 99. Bd., S. 816 ff.
7 ) Ebd., S. 10 f.