Volltext: Das Land ob der Enns

II. Die Baiern. 
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Für die Annahme von Sippensiedlungen läßt sich ferner der in 
baierischen Landen mehrfach begegnende Ortsname Neufahrn geltend 
machen 1 ). Riezler deutet ihn von fara Geschlecht (vgl. Vor-, Nach 
fahren) als ,neue Sippen 4 und lehnt die Erklärung als ,neue Überfuhr 
stellen 4 mit dem Hinweis auf die Tatsache ab, daß ein großer Teil dieser 
Ortschaften nicht an einem Wasser liegt, wo eine Fähre denkbar wäre 2 ). 
Für Riezlers Deutung spricht auch der Umstand, daß alle Dörfer, die 
meisten sogar Pfarrdörfer sind. Die zwei in Oberösterreich (Gern. March- 
trenk) und Salzburg (Gern. Köstendorf) vorkommenden Neufahrn liegen 
überdies in Gegenden, die zweifellos schon in römischer Zeit besiedelt 
waren; vielleicht trifft das auch bei anderen zu. 
Einen PN. Niufar belegt Förstemann nicht, und hätte es ihn trotz 
dem gegeben, so wäre er so selten, daß man das mehrfache Vorkommen 
eines davon gebildeten Ortsnamens auf verhältnismäßig beschränktem 
Raume nicht erklären könnte 3 ). 
Für die von Dopsch angefochtene Annahme von Sippensiedlungen 
lassen sich also gewichtige Gründe Vorbringen. Es ist auch von vorn 
herein nicht einzusehen, warum eine solche Form der Landnahme gerade 
bei den Baiern ausgeschlossen sein sollte, wenn sie bei den anderen Ger 
manen, z. B. den Goten, Rugiern und Langobarden, wie Dopsch selbst 
auseinandersetzt 4 ), durchaus zu beobachten ist. Ferner scheint mir auch 
die Tatsache wichtig, daß die Bande der ,Freundschaft 4 , wie bei uns 
der Sippenverband seit alters heißt, besonders im Bauernvolke auch 
heute noch sehr stark sind. Man wird sich also in jenen Zeiten der ersten 
Landnahme, wo das Natürliche noch viel elementarer und darum herden- 
hafter war, nicht leicht getrennt haben, als man den Fuß auf fremden 
Boden setzte. 
Über die Hundertschaften hat schon Riezler bemerkt, sie seien in 
Baiern nicht nachweisbar 5 ). 
Dagegen scheint mir H. Reutters Anschauung, wonach dies auch 
für die fränkische Zeit, gelte, nicht richtig zu sein. Bekanntlich bildeten 
nach Rübel je 10 Hufen eine Dekanie, je 100 Hufen eine Zentene. Die 
etwa vor Vollendung der Zentenalabmarkung zugezogenen Ansiedler 
oder die über die vorhandene Hufenzahl erschienenen Kolonisten mußten 
als Anwärter auf Landbesitz, hagustaldi, warten, bis neue Zentenen 
gebildet waren 6 ). Je eine Zentene stand unter einem Centenarius. 
2 ) Die hessischen Neufahrn hält Arnold, S. 56, nur zögernd für deutsch, 
da sie alle im altkeltischen Gebiet lägen. 
2 ) Die Ortsnamen der Münchener Gegend, München 1887, S. 29, und Die 
bayerischen und schwäbischen Ortsnamen auf -ing und -ingen als historische 
Zeugnisse, München 1909, S. 38 f., Anm. 
3 ) Auf den in der Gegend von Baden bei Wien gelegenen Ort Gainfahrn, 
12. Jahrh. Goinvarin (FO. 3 I, 1077; II, 1535), vom PN. Gundifar (FP. 2 700) 
kann man sich nicht berufen, weil er einer viel jüngeren Schicht angehört. 
4 ) A. a. O., S. 198, 202. 
5 ) Die Ortsnamen auf -ing, S. 12, Anm. 1. 
6 ) Nach Dopsch, Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit, S. 331 f., 
wäre an Kleinhäusler oder noch wahrscheinlicher an unbehauste Arbeitsleute 
im Gegensätze zu den casati zu denken.
	        
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