Volltext: Das Land ob der Enns

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II. Die Baiern. 
nehmen, sondern Rugi ist, da auch die Russen so heißen 1 ), offenbar 
Bezeichnung für die Nordslawen, also hier für die Tschechen * 2 ). Soviel 
ich sehe, ist das allen Forschern über die Geschichte Böhmens und der 
Tschechen entgangen. Es war nur der Name Beowinidi und das ein 
fache Winida bekannt, wenn man von Behaimi, Baemanni absieht. 
In welcher Richtung ist die Einwanderung der Baiern 
erfolgt? 
Man könnte zunächst darauf hinweisen, daß die Agilolfinger, das 
älteste Herrschergeschlecht der Baiern in ihren neuen Sitzen, nur im 
westlichen Teile 3 ), im heutigen Bayern residierten, woraus zu schließen 
sei, daß die Ausbreitung vom Westen nach Osten sich vollzogen habe. 
So ist aber die Sache nicht. Die Dynastie war aus Franken gekommen, 
und daraus allein erklärt es sich, daß der Schwerpunkt des staatlichen 
Lebens und der wirtschaftlichen Entwicklung von Anfang an näher 
dem Reiche lag, von dem Baiern geraume Zeit abhängig war. 
Wie ist aber die Tatsache zu erklären, daß die meisten der in den 
ältesten Urkunden genannten Orte im Westen und Südwesten des Landes 
liegen? Spricht das nicht für die Annahme, daß die Besiedlung von 
Westen her erfolgte? 
Nach der Schilderung der Vita s. Emmerami 4 ) waren zur Zeit des 
Herzogs Theodo, um 700, die Ortschaften an der Enns alle verwüstet 
und fast zerstört und in den Wäldern schweiften ungefährdet die Raub 
tiere. Wenn nun auch nach der Gepflogenheit der Legendenschreiber 
der eremus übertrieben sein dürfte, so kann man doch aus den angeführten 
Urkunden und aus dem Umstande, daß nach dem Stiftbriefe von Krems 
münster (777) die Slawen in den nördlichen Teilen des Traunviertels 
nur an einzelnen Stellen größere Rodungen geschaffen hatten, sowie 
aus der Tatsache, daß die Baiern erst dazu Hand anlegten, als die Be 
völkerung dichter wurde, mit Sicherheit schließen, daß das Traunviertel 
zur Zeit der Einwanderung der Baiern der am wenigsten besiedelte 
Landesteil südlich der Donau war. 
x ) Die Fürstin Olga wird 953 regina Rugorum, der Bischof Adalbert (f 997) 
episcopus Rugorum und Rusciae presul genannt. Auch die fines Rugiheimono 
in einem Fuldaer Cod. zum Jahre 863 (Inama-Sternegg, Deutsche Wirtschafts 
geschichte I, 221, Anm. 1) werden Siedlungen eines nordslawischen Stammes 
bedeuten. 
2 ) Dümmler, Waitz und andere, die sich mit dem Mauttarif von Raffel 
stetten beschäftigt haben, und auch noch L. Schmidt, Geschichte der deutschen 
Stämme (Quellen u. Forschg. z. alten Geschichte u. Geogr. XII), Berlin 1907, 
S. 332, Anm. 3, halten die Rugi unserer Stelle für Russen, was unrichtig ist. 
3 ) Der Versuch Fastlingers (Die wirtsch. Bedeutg. der baier. Klöster, 
S. 14, 19), die agilolfingischen Genealogien der Drozza und Anniona mit den 
Orten Troß, G. Stroheim, und Angsieß (794 Anninsezza), G. Diersbach, in Ober 
österreich in Verbindung zu bringen, ist vergeblich. Troß, erst im 12. Jahrh. 
beurkundet, liegt auf dem Boden einer slaw. Kolonie (Stroheim ist urk. Strahen, 
in der Nähe Windischdf.) und dürfte selbst ein windischer Name sein, und 
Anninsezza geht zweifellos wie das nahe Annendorf, heute Andorf, auf den 
PN. Anno zurück. 
4 ) Acta Sanctorum, Sept. VI, S. 475.
	        
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