Volltext: Fünfzehntes Bändchen (15. 1931)

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„Aegypten." 
Ein halbes Jahrhundert ist es noch nicht her, da bekam 
ein Schulleiter von Altenhof, der kurz vorher aus Sarleinsbach 
übersiedelt war, Besuch aus letzterem Orte. Es war die 
Dienstmagd seiner Frau, welche vorläufig in Sarleinsbach 
noch zurückgeblieben war. Auf dem Rückwege von Altenhof 
begleitete der Schulleiter diese Magd ein Stück des Weges, 
um ihr die Umgebung zu zeigen. Als sie gegen Gerersdorf 
kamen, von wo aus man eine prächtige Ausficht hat, erklärte 
der Lehrer die einzelnen Orte, Kirchen, Schlösser und Ruinen^ 
die eben da zu sehen sind. Zum Schlüsse zeigte er in's 
Innviertel hinüber und sagte: „Siehst, dort ist Aegidi", 
nämlich der Ort St. Aegidi. Die tapfere Sarleinsbäckerin 
aber, deren Lieblingsfach Geographie nie gewesen, entgegnete 
voll Ueberraschung: „So, da ist Aegypten". Die so massive 
geographische Unkenntnis dieser Magd kann aber einige Ent- 
schuldigung finden in den Volkssagen, die ja bekanntlich auch 
von jeder geographischen Wirklichkeit absehen, so daß sie zum 
Beispiel auch die hl. Familie aus ihrer Flucht nach Aegypten 
durch unsere heimatlichen Gegenden ziehen lassen. So gibt 
es nahe bei der Furthmühle, Pfarre St. Oswald, einen 
„hl. Stein", so genannt, weil nach der Volkssage zum 
Wassergrübchen dieses Steines die nach Aegypten fliehende 
hl. Familie gekommen sei. Ein ganz ähnlicher Stein mit 
einem Wassergrübchen findet sich auch bei Altenberg und zu 
diesem läßt der Volksmund ebenfalls die hl. Familie auf 
ihrer Flucht nach Aegypten gelangen. Von beiden steinernen 
Wassergrübchen sagt auch das Volk, daß in denselben sich 
immerfort Wasser befinde, auch zur Zeit größter Trockenheit. 
 
„Habt's denn ös a an grean Ofen?" 
Ungefähr zur selben Zeit lebte in Hofkirchen ein junger 
Mann, der heiraten sollte. Er hatte aber dazu wenig Lust 
und schob es deswegen immer hinaus. Seine schon alte und 
kränkliche Mutter drängte aber schließlich, zur Heirat, um eine 
Stütze im Haushalte zu bekommen und sie nannte ihrem 
Sohne ein ebenso braves als tüchtiges Mädchen in der 
Gemeinde Pfarrkirchen, die einen ernsten Heiratsantrag kaum 
abweisen würde. Der Sohn stimmte just bei, bedeute aber 
der Mutter noch, daß er nicht recht wisse, wie er denn das 
Gespräch einleiten sollte, wenn er sich in das Haus der ihm
	        
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