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„Aegypten."
Ein halbes Jahrhundert ist es noch nicht her, da bekam
ein Schulleiter von Altenhof, der kurz vorher aus Sarleinsbach
übersiedelt war, Besuch aus letzterem Orte. Es war die
Dienstmagd seiner Frau, welche vorläufig in Sarleinsbach
noch zurückgeblieben war. Auf dem Rückwege von Altenhof
begleitete der Schulleiter diese Magd ein Stück des Weges,
um ihr die Umgebung zu zeigen. Als sie gegen Gerersdorf
kamen, von wo aus man eine prächtige Ausficht hat, erklärte
der Lehrer die einzelnen Orte, Kirchen, Schlösser und Ruinen^
die eben da zu sehen sind. Zum Schlüsse zeigte er in's
Innviertel hinüber und sagte: „Siehst, dort ist Aegidi",
nämlich der Ort St. Aegidi. Die tapfere Sarleinsbäckerin
aber, deren Lieblingsfach Geographie nie gewesen, entgegnete
voll Ueberraschung: „So, da ist Aegypten". Die so massive
geographische Unkenntnis dieser Magd kann aber einige Ent-
schuldigung finden in den Volkssagen, die ja bekanntlich auch
von jeder geographischen Wirklichkeit absehen, so daß sie zum
Beispiel auch die hl. Familie aus ihrer Flucht nach Aegypten
durch unsere heimatlichen Gegenden ziehen lassen. So gibt
es nahe bei der Furthmühle, Pfarre St. Oswald, einen
„hl. Stein", so genannt, weil nach der Volkssage zum
Wassergrübchen dieses Steines die nach Aegypten fliehende
hl. Familie gekommen sei. Ein ganz ähnlicher Stein mit
einem Wassergrübchen findet sich auch bei Altenberg und zu
diesem läßt der Volksmund ebenfalls die hl. Familie auf
ihrer Flucht nach Aegypten gelangen. Von beiden steinernen
Wassergrübchen sagt auch das Volk, daß in denselben sich
immerfort Wasser befinde, auch zur Zeit größter Trockenheit.
„Habt's denn ös a an grean Ofen?"
Ungefähr zur selben Zeit lebte in Hofkirchen ein junger
Mann, der heiraten sollte. Er hatte aber dazu wenig Lust
und schob es deswegen immer hinaus. Seine schon alte und
kränkliche Mutter drängte aber schließlich, zur Heirat, um eine
Stütze im Haushalte zu bekommen und sie nannte ihrem
Sohne ein ebenso braves als tüchtiges Mädchen in der
Gemeinde Pfarrkirchen, die einen ernsten Heiratsantrag kaum
abweisen würde. Der Sohn stimmte just bei, bedeute aber
der Mutter noch, daß er nicht recht wisse, wie er denn das
Gespräch einleiten sollte, wenn er sich in das Haus der ihm