Volltext: Elftes Bändchen (11. 1926)

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„Vorderhand noch nicht, mein lieber Johannes. Dazu ist — leider — mein 
Bruder Andreas auserlesen. Er ist der Liebling meines Herrn Vaters und hat es 
von jeher verstanden, ihm alles recht zu machen." 
Und du? Hast du deine Sache nicht auch recht gemacht? Sollte dein nun 
erworbenes Zeugnis nicht für dich sprechen? Braucht nicht ein Markt wie Velden 
verständige und gelehrte Männer, die ihm in Rat und Tat nützen sollen? Darin 
läge für deine Zukunft eine schöne Aufgabe." 
„Ich weiß nicht, ob mir die Veldner Bürger viel Vertrauen entgegenbrächten. 
Man liebt auf dem Lande die Bücherweisheit nicht. Ich möchte ja gerne auf dem 
von dir angedeuteten Wege schreiten, aber mein Ziel wird wohl vorderhand anderswo- 
liegen — sehr gegen meinen Willen." 
„So bemühe dich, deinen Willen, sofern er gut ist, durchzusetzen." 
„Das wird schwer halten. Mein Vater ist, wie du weißt, in diesem Jahre 
in den Reichsritterstand erhoben worden. Sein Ehrgeiz trachtet darnach, die Familie 
Khampmiller immer höher emporzubringen." 
„Das ist ja löblich und gut." 
„Ja, sicher, wenns an Kern und Wesen geht. Aber ich fürchte, ich fürchte, 
es ist ihm mehr um äußeren Schein und Glanz zu tun. Was er mit mir vor hat, 
weiß ich noch nicht, werde es aber bald erfahren. Ich glaube nicht, daß meines 
Herrn Vaters Sinn mit dem meinen in Einklang stehe. Er will mich in die große 
Welt schicken — ich möchte daheimbleiben. Höher hinaus soll ich. Ehren sammeln! 
Glanz entwickeln! Den feinen Kavalier spielen! Es ist doch immer die alte Wahrheit: 
„Kommt der Bauer aufs Roß, kann ihn kein Teufel erretten"." 
„Pfui, Mariophil!" 
„Ja, pfui ! Ists etwa nicht wahr ? Unsere Familie stammt ab von einfachen 
Müllersleuten, die in Arbeit und Mühen wohlhabend geworden sind, aber nie 
daran gedacht haben, etwas anderes sein zu wollen. Die drehten sich im Grabe 
um, wenn sie wüßten, daß ihre Enkel „Herren" geworden sind." 
„Ist denn das so schlimm, Mariophil? Nicht vielmehr eine Ehre, wenn 
eine Familie aus eigenem Verdienst emporsteigt?" 
„Schlimm — sagst du. Schlimm ist das eine, daß der Bauer nicht vergessen 
kann? wie ihm von den „Herren" mitgespielt wurde. Kannst du es ihm verdenken, 
wenn er schier in jedem Gutgekleideten seinen Feind sieht? Du kannst unterm Volt 
noch Lieder singen hören aus den Zeiten der Bauernaufstände — das Gedächtnis 
ist gar frisch geblieben. Unser armes Velden und das ganze Land können was 
aus jenen Zeiten erzählen. Die furchtbaren Kämpfe, die angeblich um des „Glauben? 
Willen" gewütet haben, zeitigten auch für Velde« trübe Folgen. Der Markt ist 
verwüstet worden, viele Bürger, die von ihrer Ueberzeugung nicht ablassen wollten, 
mußten auswandern und ihr Heim zurücklassen, die Bleibenden verarmten unter 
dem Drucke der Einquartierungen, der Steuern; viele Häuser zeigten nur mehr ihre 
ausgebrannten Mauern. Gott sei Dank, ist jetzt alles wieder im Aufschwung begriffen." 
„Und daß es so ist, scheint mir wohl das Verdienst solcher braver Familien 
wie die eure zu sein. Drum kann ich deinen Herrn Vater und seinen Ehrgeiz, 
wohl begreifen." 
„Mich zieht es mehr zur Gesinnung meiner Urväter. Die saßen hübsch be- 
scheiden auf der Khampmühle am Leitenbach, dort hinter dem Sarleinsbacher-Markte. 
Freund! dahin müssen wir gleich in den ersten Tagen wandern. Die alte, schon 
halb verfallene Mühle habe ich ins Herz geschloffen. Dort in der Waldeinsamkeit 
überkommts mich immer wie ein Grüßen und Winken aus alten Märchen."
	        
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