Volltext: Neuntes Bändchen. Die Entstehung und die rechts- und sozialgeschichtlichen Verhältnisse des Marktes Rohrbach in Oberösterreich (9. 1923)

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Es ist klar, daß die Einwohnerzahl des Marktes, vorausgesetzt, daß 
die Burgrechte und Häusel voll besetzt waren, von der sehr schwankenden 
Anzahl der Inwohner hauptsächlich abhängig ist. Rechnet man eine Familie 
zu 5 Köpfen, so ergibt sich für die Zeit von 1530 bis 1665 und von 1787 
bis 1791 eine Einwohnerzahl von 260 bis 330 Personen, für die Zeit von 
1699 bis 1717 eine solche von 350 bis 450 Personen. Dabei sind die unter 
fremde Grundherrschaften gehörigen Häusel nicht miteinbezogen. 
 
X. Das Ehaft. 
Das Eigenschaftswort ehaft bedeutet gesetzlich, rechtskräftig, giltig, 
wahrhaft, echt. Das Hauptwort Ehaft umfaßt den Inbegriff oder die Sammlung 
aller örtlichen Satzungen, Rechte oder Pflichten einer Gemeinde und auch 
die jährliche Zusammenkunft der Glieder einer Gemeinde, um ihre örtlichen 
Satzungen zu verlesen oder Gemeindeangelegenheiten zu verhandeln.1) 
In anderen Gegenden wird statt Ehaft, Ehafttaiding, Taiding, Bann- 
taiding, Rügung und Weistum gebraucht2) 
In Deutschland hat in umfassender Weise Jakob Grimm Weistümer 
gesammelt und veröffentlicht und um dieselbe Zeit begannen auch in Oester- 
reich gleiche Bestrebungen, die bald die kaiserliche Akademie der Wissen- 
schaften aufgriff und bis in die Gegenwart fortführt.3) In den Koloni¬ 
sationsgebieten des nordöstlichen Deutschland kommen keine Weistümer 
vor. Die Weistümer entsprechen eben uraltem Herkommen, aber nicht den 
von Grund aus neuen Verhältnissen, die hier zur Ausbildung gelangten.4) 
Diese Sammlungen wurden deshalb veranstaltet, weil die Weistümer 
für Sprach- und Dialektforschung, Rechts- und Kulturgeschichte neue und 
unbekannte Quellen von unendlicher Fülle und ungeahnter Reichhaltigkeit 
sind. Sie sind nicht bloß ein unschätzbares Quellenmaterial für die gelehrte 
Forschung sondern auch für die gebildete Welt ein unversiegbarer Born für 
das lebensvolle Verständnis germanischer Vorzeit. 5) 
In den Ehaften leben die Reste der echten Dinge (Gerichtsversamm- 
lungen) der Karolingischen Gerichtsverfassung fort. Mit diesen teilen sie 
1. das Erfordernis der Vollversammlung aller Dingpflichtigen, 2. das Er- 
fordernis der echten Malstatt (Gerichtsstätte), die Dingpflichtigen versammeln 
sich daher an althergebrachter Stätte und 3. sind sie ungebotene Dinge in 
dem Sinne, daß weder die Zeit noch die Zahl festgesetzt ist, sondern an ein 
Gewohnheitsrecht gebunden ist.6) 
Winter verweist in der Sammlung der niederösterreichischen Weistümer 
auf drei Entwicklungsgruppen,5) deren erste Strnadt echte oder eigene 
Weistümer nennt, weil sie das vor Alters mündlich geoffenbarte Recht 
umfassen, das sich selbständig durch Jahrhunderte regsam und lebensvoll 
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1) Schmeller-Frommann, Bayerisches Wörterbuch. 
2) Luschin, Geschichte des ältern Gerichtswesens in Oesterreich ob und unter der 
Enns, S. 162 und Winter, Niederösterreichische Weistümer, 4. Bd., Einleitung. 
3) Ueber die Weistümer Sammlungen und Veröffentlichungen f. besonders Winter, 
A. a. O., 1. Bd., Einleitung. 
4) Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte, 4. Auflage, S. 697. 
5) Winter, A. a. O. 
6) Luschin, A. a. O.
	        
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