Volltext: Achtes Bändchen (8. 1923)

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Und märchenhaft schien mir auch die Erzählung. Aber Ich ging ihrem 
Grunde nach. 
Es war ein wenig mühsam, denn die Quellen flössen gar spärlich, aber ein 
wenig gelang mirs doch, vom vergrabenen Schatze zu heben — zum Schlusse 
rundeten sich all die Bruchstücklein des Erfahrenen zu einem erkennbaren Ganzen. 
Blieben auch Risse und Spalten, so ließ sich doch die einstige Form ahnen. 
Nun zur Erzählung selbst I 
Da, wo jetzt die kleine Kapelle in Oberfeuchtenbach steht, hat sich früher ein 
größeres, schöneres Gotteshaus befunden, eine Kirche mit prächtigem Hochaltar, zwei 
Seitenaltären, Orgel, Heiligenbildern und allerlei Zier. 
Erbaut war diese Kirche worden schon vor vielen hundert Jahren, fromme 
Rittersleute hatten sie geschaffen, um für sich selbst und noch mehr für ihre zarteren 
Frauen den weiten, damals noch mühseligen Weg zur Messe und zu anderen 
Andachten zu ersparen. Sie wollten ihren Gottesdienst beim Hause haben und ihren 
Hauskaplan, wie dies in allen alten Schlössern und Burgen üblich gewesen ist. 
Die Wohnung des Geistlichen besand sich im heutigen „Kohlmannhause". 
„Mein Aehnl", behauptete die Erzählerin, hat noch oft erzählt von der 
Kirche und von ihrem Untergang, auch andere alte Leute habe ich gekannt, die sich 
daran erinnerten. Wie der Aehnl noch ein kleiner prächtigem gewesen ist, soll der Befehl 
gekommen sein, in der Kirche keinen Gottesdienst mehr zu halten, es mangle dem 
Lande an Geld und es müsse gespart werden. So wurde die Kirche gesperrt und 
wer in die Messe wollte, mußte sich zum weiteren Wege nach Altenfelden oder 
Neufelden bequemen. Der Pfarrhof wurde ein Bauernhaus, die Wertsachen der 
Kirche wurden ausgeräumt. Wohin sie gekommen sind, weiß ich nicht zu sagen. 
Der leere Bau blieb stehen —" zwecklos, überflüssig — ein Denkmal alter Zeiten, 
die nicht wiederkehrten. 
Der Bauer, dem nun das verlassene Gotteshaus gehörte, war ein finsterer, 
habsüchtiger Mann, nur aus Gewinn bedacht und nicht beliebt. Er hat das 
„unnütze Gebäude" nicht ansehen mögen. „Das tragt nichts!" war seine stete Rede, 
„so ein Steinhaufen ist für nichts, will sehen, wie ich ihn zu Geld mache". Die 
Nachbarn wollten von einem Verkauf der Kirche nichts wissen und redeten ihm zu, 
von seinem Vorhaben abzustehen, allein ihre Bitten und Vorstellungen waren um- 
sonst. Bei erster Gelegenheit ließ er die Kirche niederreißen und verkaufte das Material, 
Bausteine und Ziegel an Liebenstein. Dort brauchte man zu einem Neubau dies 
alles sehr notwendig, denn in der Taverne, wo immer Fuhrleute einkehrten, gab 
es stets zu bessern und zu vergrößern. Was sonst noch da war, wird der Geizhals 
auch verschachert haben. Manches, von dem er sich keinen Gewinn versprach, ist auf 
dem Dachboden herumgelegen, alte Bilder, die so dunkel waren, daß man ihr Alter 
von weitem erkannte. 
Aber es hat dem Bauern kein Glück gebracht; er ist seither immer tief- 
sinniger geworden. Anlage zur „Miselsucht" hat er immer gezeigt, vielleicht kam 
auch die Reue dazu. Nach dem Tode seiner Bäuerin, die ihm das Abreißen der 
Kirche schwer verzeihen konnte, ist er auch zurückhaltender und schwermütiger ge- 
worden. Hat mit niemanden mehr umgehen und Nachbarschaft halten mögen, der 
Geiz hat ihn ganz zum Menschenfeind gemacht. Und als erst ein Brand in seinem 
Hause ausbrach und einen Teil seiner Güter verwüstete, ist er ganz von Sinnen 
gekommen. Im Wahnsinn ist er gestorben. — So die Erzählung der alten Bäuerin. 
Was ich nachträglich über das Geschichtliche an der Sache erforschen konnte, 
ist eben nicht viel. Es leben nicht mehr viele Leute, deren Erinnerung so weit
	        
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