Volltext: Achtes Bändchen (8. 1923)

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Das Aufhören der Ungarneinfälle nach der Schlacht 955 brachte jetzt auch 
für unser oberes Mühlviertel eine große Veränderung; bisher nur spärlich von 
Baiwaren und gewesenen Slawen bewohnt, wurde es nun durch Familien aus 
Bayern regelmäßig und zahlreich besiedelt, unter Leitung reichsfreier Herrschaften. 
Eine Urkunde des Jahres 1010 besagt, König Heinrich II. habe fast das ganze 
obere Mühlviertel dem Kloster Niedernburg in Passau geschenkt; da Niedernburg 
bischöfliches Kloster war, so hatte der jeweilige Bischof von Passau die unbeschränkte 
Verwaltung des KlostereigentumS und konnte man deswegen auch sogleich mit der 
Besiedelung des geschenkten Mühlviertler - Gebietes beginnen. Es wird wohl die 
Echtheit der genannten Urkunde vom Jahre 1010 jetzt vielfach angezweifelt, doch 
ist ficher, daß Niedernburg später bei uns viele Besitzungen hatte, welche zum Amte 
Putzleinsdorf gehörten, und daß Passau wenigstens von 1161 an, nachdem 
Niedernburg und sein Besitz dem Hochstifte einverleibt worden, in unseren Gegenden 
sehr viele Bayern ansiedelte; das geht gantz unzweifelhaft hervor aus der großen 
Anzahl Passauischer Ministerialen (= adelige Beamte), welche von da an bei uns 
(= sind, wie die Marspacher, Haichenbacher, unfreien Falkensteiner, Tann- 
berger (bei Lembach), Perger (bei Rohrbach), Chelzen, Gruber usw. Dieses Passauische 
Rodungs- und Siedelungsgebiet dehnte sich zwischen der Ranna und der großen 
Mühl aus. Der Passauische Ministeriale Calchocus von Falkenstein hatte am Ober- 
laufe der großen Mühl auch einigen Eigenbesitz und gründete daselbst, wohl 1198, 
das Kloster Schlägl und berief in dasselbe Zisterzienser aus Langheim in Oberfranken. 
Diese Gründung geschah offenbar in der heutigen Ortschaft Odenkirchen (bei Ulrichs¬ 
berg), wurde aber wegen der unwirtlichen Lage nach sieben Jahren wieder auf- 
gegeben und Calchocus gründete dann 1218 das heutige Kloster Schlägl, das er 
mit Prämonstratenser aus Milewsk in Böhmen besiedelte. Schlägl, das einzige 
Kloster des oberen Mühlviertels, war bald auch selbst kolonisatorisch tätig und hat 
insbesondere das Gebiet der heutigen Pfarren Aigen, Ulrichsberg und Schwarzen- 
berg „aus grünem Walde geschlagen", wie ein alter Ausdruck für unser heutiges 
roden lautet. Ulrichsberg trägt seinen Namen vom Schlägler Propst Ulrich I. 
(1304—1338) Innerhalb des Passauischen Siedlungsgebietes hatten ungefähr zu 
gleicher Zeit aber auch andere reichsfreie Herrschaften bayerische Familien angesiedelt. 
So kolonisierten die freien aus Niederbayern stammenden Falkensteiner an der 
Ranna, wo noch die Ruine ihrer dortigen großartigen Burg zu sehen, dann am 
linken Ufer des Oberlaufes der großen Mühl, zwischen Gegen- und Wurmbrander- 
bach, sowie auch in der Gegend von Kollerschlag; dieser Ortsname wird überhaupt 
in Zusammenhang gebracht mit dem ersten auf unserem Gebiete bekannten freien 
Falkensteiner, der Calchocus hieß. Die freien Griesbacher, deren Stammsitz 
zwischen Wegscheid und Obernzell war, rodeten und fiedelten zwischen der kleinen 
und großen Mühl und erbauten sich an letzterer die Burg Velden, um die sich in 
der Folgezeit ein Markt bildete, das heutige Neufelden. Links (und teilweise auch 
noch rechts) der großen Mühl bis über St. Ulrich (Pfarre Niederwaldkirchen) hin- 
aussiedelten die hochfreien Schönhering — Blanken berger, welche aus 
Niederbayern gekommen waren, sich am linken Mühlufer auf der Höhe beim jetzigen 
Bahnhof Neufelden das Schloß Blankenberg erbauten und von denen sich die 
Schallenberger abzweigten, die einzige noch lebende Familie aus dem alten Mühl- 
vierter Adelsgeschlechtern; von den Schallenbergern stammten noch die Kirche Kleinzell 
und St. Ulrich und in Niederwaldkirchen die Blasius- und Josefkapelle (letztere seit 
1793 Schule). Oestlich von St. Ulrich begann das Siedlungsgebiet des reichsfreien 
Eppo von Wind berg, der ein bayerischer Graf von Formbach war, die Kirche 
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