Volltext: Achtes Bändchen (8. 1923)

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sie wurden Wenden oder Winden genannt und zahlreiche Ortsnamen erinnern noch 
an sie, wie Windberg, Windsteig, Windorf, Winer oder Göritzer (= Brandstätter), 
Zwettl (= Waldlichtung). Es ist unrichtig, daß, wie öfter angenommen wird, die 
Slawen nur bis zur großen Mühl von Osten her und nicht mehr über diesen Fluß 
kamen; vielmehr finden sich auch rechts der Mühl noch einzelne slawische Namen, 
wie Windsberg in Kirchberg und Prodel (= im Tal, das Volk spricht heute Proll) 
in Niederkappel; auch einige Dörfer rechts der großen Mühl weisen slawische An- 
lage aus, sowie auch hier erinnert werden muß an das Vitus-Kirchenpatronat in 
Putzleinsdorf, da ja der heilige Vitus besonders bei den slawischen Völkern in 
Verehrung stand. 
Wohl im 8. Jahrhundert geschah die Christianisierung der hiesigen Baiwaren 
und der Slawen und zugleich die Germanisierung der letzteren; an diese Zeit der 
Einführung des Christentums erinnern noch die „Zell"-Orte: Marsbach, oder 
Freizell, Zollhäusel bei Sarleinsbach; Niederwaldkirchen hieß, wie wir noch in einer 
Urkunde des 12. Jahrhunderts lesen, „Maria—Zell" und von dort aus erfolgte 
die Gründung des heutigen Kleinzell. 
Zum Schutze gegen die räuberischen, hauptsächlich im heutigen Ungarn wohnen- 
den Avaren, gründete Kaiser Karl der Große 803 die „Ostmark", welche sich aus 
der. rechten Donauseite über Westungarn, das heutige Niederösterreich und den ober- 
österreichischen Traungau erstreckte; doch wird in einer Urkunde des Jahres 904 
Rosdorf, das ist der an der Donau gelegene heutige Mühlviertlerort Landshag, 
ausdrücklich als in der Ostmark gelegen angeführt, so daß also an dieser auch unser 
Mühlviertel einen kleinen Anteil hatte. Die Ostmark wurde nach ihrem Gründer 
gewöhnlich die Karolingische genannt, doch häufig auch die Bayerische, weil ja da 
viel Bayern einwanderten, um den im Kriege verwüsteten Boden wieder zu bebauen 
und weil der erste über die Ostmark gesetzte Markgraf, Gerold, zugleich der Ver- 
walter Bayerns war. Im unglücklichen Kriege des Jahres 907 wurde aber die 
Ostmark von den Ungarn (Magyaren) erobert, die nun wieder häufige Einfälle in 
das deutsche Gebiet machten, doch durch den großen Sieg des deutschen Kaisers 
Otto I. am Laurenzitag des Jahres 955 auf dem Lechfelde bei Augsburg bekam 
Deutschland endgültig von Seite der Ungarn Ruhe. Jetzt wurde, im Jahre 976, 
die zweite, die „Ottonische Ostmark" gegründet, jedoch mit anderen Grenzen als 
die erste; die jetzige reichte auch über das linke Donauufer, und zwar im Mühl- 
viertel bis zum Haselgraben herauf, wie man für gewöhnlich annimmt. 
Bezüglich der alten Grenzen sei hier bemerkt, daß verschiedene. derselben für 
uns unklar sind, teils weil darüber keine hinreichenden Nachrichten vorliegen und 
teils deswegen, weil man in alten Zeiten, in denen ja oft noch weite Strecken 
ganz unbewohnt waren, häufig überhaupt keine genaue Grenze, keine Grenzlinie zog, 
sondern große Wälder und breite Landstreifen als Grenze betrachtete. Ungenaue, 
ja sich widersprechende Angaben über diesen Gegenstand finden sich in alten Urkunden 
auch dadurch, daß, wenn z. B. von Bayern die Rede ist, manchmal das ganze vom 
bayerischen Volke besiedelte Gebiet und nicht das bayerische Verwaltungs- oder 
Staatsgebiet gemeint ist. So ist denn auch in unserem Mühlviertel die erste Grenze 
zwischen der ottonischen Ostmark und Bayern nicht sicher; für gewöhnlich nimmt 
man, wie schon erwähnt, den Haselgraben als Grenze an, dagegen sucht Lohningers 
„Oberösterreichs Werdegang", S. 112, zu beweisen, daß der Sarmingbach die Grenze 
bildete, wodurch also nur ein ganz schmaler und kurzer Streifen des unteren 
Mühlviertels zur zweiten Ostmark und das übrige Mühlviertel noch zu Bayern 
gehört hatte.
	        
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