Volltext: Sechstes Bändchen (6. 1916)

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ihnen helles Mädchengelächter und Spottreden nach. „Also, bei Nachtzeit 
visitieren!" hieß es dann. Polizeimann und Gemeinderichter kommen um Mitter- 
nacht zum Häusel und sehen durch die hellerleuchteten Fenster, wie eben ein 
Schwein zerlegt wurde. — „Aufmachen! — Gregor, wo ist das Schwein her?" — 
„Aus meinem Stall, heute haben wir es gestochen." — „Warum arbeitet ihr aber 
bei der Nacht und nicht bei Tag?" — „Tu' ich es bei Tag", antwortete der Gregor, 
„heißt es gleich wieder: „Der Gregor hat eine Sau gestohlen"". In einer anderen 
Nacht drang die Kommission sogar in den Schlafraum der Töchter vor und fand 
da einen Burschen, der halb angekleidet, mit zitternden Händen die Stiefel an 
die Füße zu bringen suchte. Da spielte der Gregor den sittenstrengen Hausvater, 
schalt ihn aus und „er lasse sich seine Töchter nicht verführen". Dem Burschen, 
der angeblich aus Sattling war, wurde der Laufpaß gegeben. Der Gregor konnte 
sich also über die „gute alte Zeit" freuen, aber im Sommer 1853 hatte 
sie ein Ende. Das Verhängnis ereilte die Diebsbande in Schürfened bei Oepping. 
Bei dem dortigen Hause Nr. 12, links vom Fahrweg, steht ein Schupfen über 
einem Keller, an den sich ein Obstgarten anschließt. Es war eine milde Sommer- 
nacht, da kehrte der Sohn des Hauses mit einem frisch geschliffenen G'sottmesser 
heim und erblickte, unter einem Baume stehend, eine Weibsperson. Sein erster Ge- 
danke war der richtige: Es war der von den Dieben aufgestellte Wachposten, die 
unterdessen in den Keller eingebrochen waren. Der Bursche schlich sich an die 
Person heran, ein Griff mit starker Hand und er hatte die berüchtigte Gregorn- 
Nanni gefangen. Er warf sie zu Boden und kniete mit seiner ganzen Schwere 
auf sie. Als auf ihr Geschrei etliche Männer aus dem Keller sprangen und die 
Gefangene befreien wollten, hielt er dieselben mittelst wuchtigen Hieben des 
schweren, scharf geschliffenen Messers von sich ab. Die durch das Geschrei er- 
wachten Dorfbewohner verscheuchten die Diebe und brachten die Gefangene in die 
Stube, von wo sie nochmals entwischte, aber nicht mehr weit kam. Bald bemerkte 
man aus einem Strohhaufen ihren schönen Fuß hervorragen, an dem die Ver- 
steckte wieder ans Licht gezogen und am anderen Tag von einem Gendarm in 
die Fronfeste in Rohrbach eingeliefert wurde. Nun ging es auch dem Gregorn- 
Häusel auf der Kohlenöd daran. Gerade um dieselbe Zeit hatte jemand bemerkt, 
daß sich an einer Stelle der Dachung das Strohdach bewegte. Nun wurde alles 
demoliert, nachdem die ganze Familie eingezogen war. Man fand zwischen dem 
Schindel- und Strohdach alles vollgepfropft von gestohlenen Waren. Auch fand 
man hinter dem Scheiterstoß in der Kammer ein Loch zum durchschlüpfen in eine 
zweite Kammer und daselbst ebenfalls ein Warenmagazin — ja auch in dem 
nahen Steinbruch zwischen Steinen versteckte gestohlene Gegenstände, darunter so- 
gar schön gegerbte Lammfelle und überhaupt Dinge, deren Herkunft man nicht 
einmal vermuten konnte. So fand man z. B. zwischen dem Dache ein Stück einer 
silbernen und vergoldeten Patene, woher man schloß, daß die Bande auch an dem 
kürzlich vorher verübten Kirchenraub in Maria Taferl in Niederösterreich mit- 
schuldig war. Vieles von dem Raub, das von Personen als ihr Eigentum er- 
kannt wurde, kam wieder in ihren Besitz. — Bei der Gerichtsverhandlung in 
Linz erschien eine ungeahnte Menge Mitschuldiger. Die Hauptschuld traf freilich 
nebst den Eheleuten Kirschner deren Töchter, besonders die Anna und vier Kum- 
pane, Rührmillsepp, Rachellira, den Boarn-Pänli und den Haubnerin-Jogl, von 
denen später keiner mehr in der Gegend gesehen wurde. Der Gregor jedoch kehrte nach 
zehnjähriger Zuchthausstrafe nochmals auf kurze Zeit nach Rohrbach zurück, hatte ein 
sehr gutes Aussehen, zeigte sich öffentlich am Wochenmarkte in Rohrbach, sprach
	        
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