Volltext: Sechstes Bändchen (6. 1916)

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Verwegendste unter ihnen war Rachellira. Uebrigens standen ihnen auch Gregors 
Töchter tatkräftig zur Seite, besonders die auffallend hübsche Gregorn-Nanni. 
Außer diesen gesellten sich zur Diebsbande bald Leute aus nah und fern, auf die 
kein Mensch einen Verdacht gehabt hätte. Gregor selbst ging selten mit auf den 
Raub, er leitete nur alles. Dies alles sei vorausgeschickt, um folgende oder spezielle 
Fälle recht zu verstehen. — In einer Nacht wurde beim Nachbar eingebrochen 
und die Nachbarin machte Alarm und meldete, es sei ihnen ein Schaf gestohlen 
worden. Mein Vater bewaffnete schnell den Knecht Math. Haas mit einem 
wuchtigen schwedischen Kavalleriesäbel, deren zwei in unserem Besitze waren, und 
schickte ihn fort, den Dieben den mutmaßlichen Weg abzulaufen, was auch gelang. 
Der große Fanghund wies auch sofort den rechten Weg nach den fliehenden Ein- 
brechern und verfolgte sie unter wütendem Gebell und man merkte, daß er in 
einem nahen Gehölz einen derselben an der Brust gepackt hatte — da — ein 
Schuß aus einer Pistole und der treue Hund lag in seinem Blute. Gleich darauf 
sprang ein flüchtiger Dieb über den mit dem Säbel bewaffneten, hinter einem 
Feldrain verborgenen Knecht, dieser hatte aber nicht den Mut, dem Flüchtenden 
die Waffe zwischen die Füße zu halten und so zum Falle zu bringen. Das ge- 
stohlene Schaf wurde, wie sich später herausstellte, im „Toni-Hiasl-Häusl", einem 
östlich vom Gregorn-Hänsel in einer düsteren Waldschlucht gelegenen Häusel, ge-- 
gessen und dazu Knödel von feinem Mehl, welches der Mühlbursche von der 
nahen Pfeffermühle geliefert und — dabei mitgegessen hat. — Ein Mann, der einmal 
im Morgengrauen auf der Reichsstraße gegen Andechsling ging, hörte aus dem Tale 
herauf plötzlich den raschen Schritt von Personen, hörte auch, wie sie durch 
Wasserlachen patschten und dann keuchend den Berg über Felder gegen ihn herauf- 
eilten. Es waren einige Weibsleute, die große Bündel, sogar Binkel auf dem 
Kopfe trugen. Als er sie anrief, woher sie das hätten, gaben sie zur Antwort: 
„Das geht dich nichts an, Maulaffe" und eilten in der Richtung nach dem von 
hier eine Viertelstunde entfernten Diebeshäusel weiter und bald erfuhr man, daß 
in Sexling in jener Nacht ein großer Einbruch geschehen und viel Bettzeug ge- 
stohlen worden sei. — Der Gregor selbst saß eines Abends in einem Wirtshaus 
in Rohrbach und in der Gesellschaft auch der Hiasl von Lanzersdorf. „Gregor, 
wenn du bei mir eine Gans erwischen kannst, gehört sie dir, ich schenk sie dir", 
sagte der Bauer. Der Gregor wurde darob nicht böse und nicht verlegen, zahlte 
und ging nach einiger Zeit. Als ziemlich spät der Bauer heimging, begegnete ihm 
der Gregor und sprach zu ihm: „Hiasl, ich sag vergelts Gott, die Gans hab ich 
schon, einen Sack hab ich mir auch dazngenommen; den kannst du wieder haben". — 
Es ging indessen nicht immer so gemütlich ab. Es war am 31. Oktober, am Vor- 
abend des Allerheiligenfestes, als im ersten Hause des schön gelegenen, vom Gregorn- 
Häusel nur 15 Minuten entfernten Dorfes Perwolfing alles geordnet und die 
Kleider für den Festtag bereitet wurden. Die beiden Söhne luden zwei Haus- 
gewehre scharf, um, wie sie sagten, die Diebe abzuwehren, wenn sie etwa kämen. 
Leider lud einer von ihnen das Gewehr zu seinem eigenen Tod. Als nämlich 
die Hausleute, durch ein Geräusch geweckt, vom Hofe aus in die Wohnstube blickten, 
sahen sie dieselbe voll von Dieben, Männern und Weibern, die eben alles in Bündel 
verpackten und auch schon die zwei Gewehre im Besitze hatten. Man getraute sich 
nicht, etwas gegen sie zu unternehmen und duckte sich, als sie abzogen. Nur einer 
der jungen Söhne des Bauers war so unvorsichtig, im weißen Nachtgewande vor dem 
Hause stehend Drohworte nachzurufen — da krachte aber schon von der etwa 
70 Schritte entfernten Straße her ein Schuß und der Bursche sank zu Tode
	        
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