Volltext: Sechstes Bändchen (6. 1916)

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es kam so weit, daß nicht bloß geistliche, sondern auch weltliche Behörden diese religiösen 
Spiele vollständig untersagten, mit der Begründung, daß sie mehr die Unterhaltung 
als Andacht fördern, ja, daß sie manchmal schon zu „frevelhaften Spielen" geworden 
seien; das war gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Es lebten aber später in ein- 
zelnen Orten wieder große Passionsspiele auf, die bis heute noch in bestimmten 
Zeiträumen gegeben werden und für deren würdige Ausführung sich die Behörden 
Sicherheit verschaffen. 
In den Kirchen selbst waren, wie wir schon gehört, die geistlichen Schau- 
spiele schon sehr frühzeitig verboten worden, doch gab es nachher in denselben 
wieder einfachere, schauspielartige Darstellungen heiliger Geheimnisse, wobei auch 
öfter bewegliche Figuren in Verwendung kamen. Ein Beispiel: Bei Oelbergpredigten 
— so wurden früher allgemein und werden in Bayern heute noch die Fastenpre- 
digten genannt — war an einem allgemein sichtbaren Platze der Kirche eine Bühne 
angebracht, auf welcher durch aufgelegte Felsen, künstliches Gesträuch und ent- 
sprechende Wandgemälde eine Stelle des Oelberges gezeigt werden sollte. Zum 
Schlusse seiner Predigt forderte nun der Priester die Gläubigen auf, jetzt kurz 
über die Todesangst des Erlösers zu betrachten. Vollkommene Stille trat ein; 
bald erschien aber auf der schon erwähnten Bühne die lebensgroße Figur des 
Heilands, der langsam und händeringend aus dem Gesträuch hervorkam; plötzlich 
fiel Christus auch auf die Knie, während aber von der anderen Seite sich die 
Figur eines Engels näherte, mit Sinnbildern der Stärkung und des Trostes. 
Auch über diese Art religiöser Spiele äußerten geistliche Behörden ihre Bedenken 
dahin, es möchte durch dieselben „die geistliche Betrachtung verhindert oder gleich- 
sam in ein Komödienspiel verwandelt werden". 
Als ganz letztes geistliches Schauspiel in der Kirche ist zu nennen eine Dar¬ 
stellung der Himmelfahrt Christi, wie diese auch in unseren Gegenden noch in der 
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gegeben wurde. Ueber diese Darstellung 
haben alte Leute dem Schreiber dieses und gewiß auch mehreren Lesern noch manches 
erzählt, in der Kirchenrechnung von Kleinzell für das Jahr 1731 findet sich die 
Anschaffung einer neuen „Heiligen Auffahrt", sowie in den weiteren Rechnungen 
jährliche Ausgaben für diese Feierlichkeit vorkommen und in den „Anmörkungen 
über die jährlichen geistlichen Verrichtungen in der Pfarrkirche zu Kirchberg" vom 
Jahre 1753 ist auch die Vornahme einer solchen Himmelfahrtsfeier geschildert. 
Als Vorbereitung zur selben treffen wir folgendes: In der Mitte des 
Presbyteriums (Priester- und Altarraum) steht eine Bühne, die durch ihre Aus- 
schmückung die Himmelfahrtsstelle auf dem Oelberge wiedergeben soll; auf der Bühne 
steht denn auch eine zierliche Auffahrtsstatue. Ueber dem Kirchengewölbe, das in 
der Regel durch bläuliche Färbelung und Besetzung mit vergoldeten Sternen ohnedies 
das Himmelsgewölbe gut darstellt und unter der erwähnten Bühne ist je eine Drehwalze 
angebracht, über „welch' beide eine starke Schnur, durch die große Gewölbeausmauerung 
durchlaufend, doppelt gespannt ist, so daß, wenn die obere Walze angetrieben wird, 
auch die untere in gleiche Bewegung kommt. An dem vorderen Teile dieser Schnur 
ist die Auffahrtsstatue auf der Bühne befestigt. Das sind die Vorbereitungen für 
den Christi Himmelfahrtstag, an dem nun die Auffahrtsfeier so vorgenommen wird: 
Zu Beginn des Nachmittagsgottesdienstes bewegt sich aus der Sakristei langsam 
und feierlich eine Prozession; voran schreitet eine Anzahl Knaben, alle in weißem, 
am Halse gekräuselten Ueberkleide, das von einem färbigen, schönbequasteten Gürtel 
zusammengehalten wird. An diese, die Jünger des Herrn darstellenden Knaben 
schließen sich die ebenfalls hochfestlich gekleideten Ministranten an, denen die Priester
	        
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