Volltext: Viertes Bändchen (4. 1914)

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(Amperäl) in Gebrauch kamen, mußten sie groß genug sein für eine ganze Familie. 
Auf der Reise mußten sie den Rucksack ersetzen und Wallfahrer packten ihre Lebens- 
mittel, die sie sich mitnahmen in den Regenschirm, den sie nach Art eines Ranzens 
um die Schultern , hängten. Ueberraschte sie ein Regen, mußten sie erst ihre ganze 
Habe aus dem Schirme nehmen und erst dann konnten sie sich gegen den Regen 
schützen. Regenschirme hatten ein Holzgerippe, das mit weißer Leinwand 
eingehüllt war. 
Die Lage der Handwerker war hart. Sie mußten bei Sonnenaufgang schon 
bei der Arbeit stehen, im Sommer um fünf Uhr. Zu Mittag hatten sie außer der 
Essenszeit gar keine Rast und mußten bis in die Nacht hinein arbeiten um weniges 
Geld. Die Taglöhner waren noch schlimmer daran. Zur Erntezeit wurden sie 
wohl anständig ausbezahlt, zu einer anderen Zeit war es für den Arbeitssuchenden oft 
schwer, Arbeit aufzutreiben. 
Ein Bauer erzählte mir, im Herbste sei einmal zur Zeit des Dreschens ein 
Taglohner zu seinem Vater gekommen und habe sich als Drescher angetragen unter 
der Bedingung, daß er als Lohn so viel Tabak erhalte, als er im Tage verrauche. 
Da aber ein Drescher tagsüber nicht viel Gelegenheit zum Rauchen hat, so läßt 
sich leicht denken, wie hoch sich dieser Lohn belaufen haben mochte. Er war eben 
froh, wenn er sich um die Arbeit das Essen verdiente. 
Im Winter mußte jedermann Knecht wie Magd, wer nicht beim Webstuhl 
beschäftigt war, sein bestimmtes Maß spinnen. Erreichte er es nicht, so wurde es 
ihm vom Lohne abgezogen; überholte er es, so wurde es ihm vergütet. Desbalb 
wurde oft bis tief in die Nacht hinein gesponnen. In die Mitte stellte man den 
Kienspanleuchter, das jüngste unter den Dienstboten mußte auf das Licht schauen, 
daß es nicht ablosch; rund herum schnurrten die Spinnräder und man erzählte 
von Teufelserscheinungen, wie der Teufel den und den Spieler geholt hat, von 
Lichtern, denen man begegnet sei, von Totenerscheinungen und so weiter. 
Bisher haben wir immer von Einfachheit und Sparsamkeit gesprochen. Wie 
überall, gab es auch hier Ausnahmen, die sich besonders in der Kleidung besser 
gaben als die anderen Leute. Es waren dies wohlhabende Bauern. In schweren 
Stiefeln trug ein solcher eine reichbestickte Fellhose. Eine schwarze Samtweste, besetzt 
mit zwei Reihen silberner Knöpfe und ein schwerer, kostbarer Gürtel zierten den 
Oberkörper. Den Rock hielten schöne Schnüre zusammen, die wieder an großen, 
silbernen Knöpfen befestigt waren. Den Gürtel zierte noch eine schwere, silberne 
Uhrkette, an der eine kostbare Uhr in Schildkrot hing. 
Der Hauptstolz aber war die silberbeschlagene, hölzerne Pfeife geziert mit 
silbernen Ketten es hing an einer solchen Pfeife oft ein kleines Vermögen. Mir 
erzählte jemand, ein Bauer habe sich eine Pfeife um ein paar Ochsen eingehandelt 
Nun wäre ich mit meiner kleinen Abhandlung zu Ende. Ich nehme natürlich 
keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern ich wollte nur ein neues Gebiet der 
Heimatkunde anstechen, damit auch in anderen Gegenden sich eine Feder rühre und 
Besseres und Gediegeneres über die Einfachheit und Sparsamkeit unserer Ahnen bringe.
	        
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