Volltext: Viertes Bändchen (4. 1914)

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"Nach demm Tode Königs wurde er in den Staatsrat berufen und nach 
Ueberwindung eines großen, unausgesetzten Widerstandes erhielt er das Amt eines 
General-Inquisitors, die erste Würde der Gewalt und dem Ansehen nach, so daß 
ihm zur Vollendung eines so schnellen Fluges zum Höchsten nur mehr übrig bleibt, 
das schwarze Kleid mit dem heiligen Purpur zu vertauschen. Und so hat er seinen 
Weg gemacht von der Klosterzelle zum Palaste und von der Führung eines Gewissens 
zur Regierung einer Monarchie. Obgleich sein Talent nicht eines von den aller- 
größten ist, zeigt er sich fähig, von den besten Absichten beseelt und uneigennützig. 
Es freut ihn, für angesehen gehalten zu werden, er macht aber sein Ansehen mit 
Maß geltend, sei es aus Bescheidenheit oder natürlicher Kälte. Seine Eigenschaft 
als Ausländer macht ihn zu großer Anhänglichkeit an Deutschland verdächtig; seine 
plötzliche Erhöhung erregt Neid und das ihm immer mehr geschenkte Vertrauen 
macht Dünste aufsteigen, seinen guten Namen anzuschwärzen; geräuschvolle Batterien 
und geheime Minen arbeiten an seinem Sturze. Er wird immer mit Umsicht und 
Unerschrockenheit die Schläge parieren, die Drohungen abwehren und die Wolken 
der Nachstellungen zerteilen müssen. Auf dem Schutze der Königin ruht wie an 
einem starken Anker die Hoffnung seiner Erhaltung und seiner Rettung. — Ich 
würde es für einen Vorteil Ew. Hoheit 1) halten, wenn er seine Autorität nicht 
verliert. Ich habe in ihm in allen Lagen Bereitwilligkeit zur Hebung der öffent- 
lichen Not gefunden, von welcher er mit Teilnahme und Mitleiden spricht; seine 
Absichten könnten nicht besser gewünscht werden; die Exekution dürfte schneller und 
nachdrücklicher sein." 
 Zeigen diese Urteile Lisolas und Zorzis eine bemerkenswerte Uebereinstimmung 
und Objektivität, so läßt im Gegensatze dazu die Relation des französischen Gesandten 
Embrun sofort erkennen, daß sie aus dem Munde solcher genommen wurde, denen 
Nidhard ein Dorn im Auge war. Daß sich dieser, wie er es wohl vom gemütlicheren 
Wien gewohnt war, so unbefangen am Hofe bewegte, daß er nach Jesuitenart 
auch im königlichen Schlosse sein Birett auf dem Kopfe trug, daß er öfters bei 
der Regentin speiste und überhaupt in ihren Gemächern verkehrte und sich betrug 
als gehöre er zum Haushalte — er führte nämlich auch die Korrespondenz der 
Königin mit dem Kaiser und den deutschen Fürsten — und hauptsächlich, daß er 
ein Jesuit und noch dazu ein Deutscher war, alle diese ärgerlichen Dinge wider- 
spiegelt der Bericht des Franzosen. Nach einem Seitenhiebe auf den Jesuitismus 
im Allgemeinen heißt es: 
  "Er hält sich im Zimmer der Königin auf, selbst mit der Kopfbedeckung, 
und ißt und trinkt auch dort nach Belieben. Im schriftlichen oder mündlichen 
Verkehre mit den Staatsministern, seien sie nun an- oder abwesend, affektiert er 
ein sanftmütiges und bescheidenes Wesen, desgleichen auch in den Briefen selbst an 
die gewöhnlichen Sekretäre; nachher indes in seinen Entschließungen macht er alles 
nach seinem Kopfe. Die Folge davon ist, daß viele Räte absichtlich über Dinge 
schweigen die der Monarchie von Nutzen wären, weil sie überzeugt sind, daß sie 
beim Beichtvater keinen Beifall finden oder auf dessen Widerspruch stoßen würden. 
Die Spanier haben wohl ihre Klagen darüber laut werden lassen, daß sie nämlich 
jene zwei Wege, um sich an ihr Staatsoberhaupt zu wenden, nämlich die Vermittlung 
durch den Beichtvater oder durch den Premier-Minister, nicht besäßen, indem der 
Jesuit das eine wie das andere Amt innehabe; sie hätten also keine Aussicht mehr 
Jesuit eine Gnade oder Gerechtigkeit vom Staatsoberhaupte zu erlangen. Sie 
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1) Der Bericht ist an den Dogen von Venedig gerichtet.
	        
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