Volltext: Zweites Bändchen. (2. 1913)

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diesen Apostel in seiner menschlichen schwachen Seite (man denke nur an seinen 
jähen, hitzigen Charakter, der ihn schließlich sogar zur Verleugnung des Herrn 
führt) klar vor Augen stellt und daß er dem Volke wegen der ihm übertragenen 
Schlüsselgewalt als Himmelspförtner gilt. So finden wir bei Hans Sachs mehrere 
Schwänke, die sich mit St. Petrus beschäftigen, z. B. „St. Peter mit der Geiß" 
sowie „St. Peter und der faule Bauernknecht", worin der Heiland und der heilige 
Petrus auf ihrer irdischen Wanderschaft auftreten, oder „St. Peter mit den Lands¬ 
knechten", worin der Heilige seines Amtes als Wächter des Himmelstores waltet. 
Kein Geringerer als Goethe ist in dieser Beziehung in den Spuren des großen 
Volksdichters gewandelt und hat uns die gar köstliche „Legende vom Hufeisen" 
beschert. Der Nürnberger wie der Frankfurter Dichter haben dabei ganz aus dem 
Volkstümlichen geschöpft. Ebenso hat unser Norbert Hanrieder den Nahmen oder die 
Einkleidung für den ersten Teil seines „Mühlviertlä Mahrls", in dem der Heiland in 
Gesellschaft des heiligen Petrus das oberste Mühlviertel besucht, aus der volksmäßigen 
Ueberlieferung unserer Heimat übernommen. Leider ist der zweite Teil, worin 
Petrus ohne seinen Herrn und Meister dieselbe Gegend ein zweites Mal bereist, 
noch ungedruckt. Im Volke wurden und werden, oft in deutlicher Anlehnung an 
andere Sagen, verschiedene Züge aus der Mühlviertler Reise des Apostelfürsten 
erzählt. Drei von solchen aus Haslach stammenden Geschichtchen sollen hier mit¬ 
geteilt werden. Zu den Nummern 2 und 3 wurde mir eine ähnliche Fassung 
von Altenfelden eingeschickt, und zwar hat sie der Altenfeldner Einsender aus dem 
Munde des alten Wegmachers Schreiter, der sie hinwiederum von dem alten 
Franzl z'Grub, dem Vater des hochwürdigen Herrn Pfarrvikars zu Schwarzenberg, 
Norbert Wipplinger, gehört hat. 
 
1. St. Petrus und der Krapfen. 
Als der Herr und St. Petrus auf Erden miteinander wandelten, kamen sie 
auch ins obere Mühlviertel. Vor einem Bauernhause blieb der Herr stehen und 
sagte zu Petrus: „Geh hinein und bitte um etwas zu essen; ich warte dir unten 
bei der Kapelle." Petrus ging hinein. Die Bäurin war gerade beim Krapfen- 
backen und weil sie ein gutes Herz hatte, so schenkte sie, da sie Petrus für einen 
frommen Pilger ansah, diesem drei Krapfen, große, echte, schöne Mühlviertlerkrapfen. 
Petrus eilte zu seinem Herrn und gab diesem, nur einen Krapfen, indem er log, 
daß er nur zwei bekommen habe. Den dritten wollte er um jeden Preis für sich 
behalten. Beide gingen ihres Weges und jeder verzehrte mit Appetit seinen Krapfen. 
Petrus ging hinter dem Herrn und wollte auch den zweiten anpacken. Aber so 
oft er ein Stücklein davon in den Mund stecken wollte, fiel es dem Herrn ein, ihn 
um etwas zu fragen und Petrus mußte, um gleich antworten zu können, jedesmal 
schnell den Bissen aus dem Munde nehmen und wegwerfen. Das wiederholte sich 
so lange, bis Petrus, ohne einen einzigen Bissen hinuntergebracht zu haben, den 
ganzen Krapfen Stück für Stück weggeworfen hatte. 
Am nächsten Tage mußten die beiden Wanderer denselben Weg wieder zurück¬ 
gehen. Da fiel dem Petrus auf, daß in gewissen Abständen eine überaus schöne 
Blume am Wege stand. Neugierig fragte Petrus seinen Meister, wie denn diese 
Blumen so schnell entstanden seien und was sie bedeuteten. „Mein lieber Petrus", 
sagte der Herr mit Ernst, „diese Blumen sind aus deinen weggeworfenen Krapfen¬ 
brocken gewachsen." Da schämte sich Petrus, zeigte große Reue über seine Hinter¬ 
hältigkeit, erkannte, daß der Herr allwissend ist, und bat ihn um Verzeihung.
	        
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