Volltext: Zweites Bändchen. (2. 1913)

- 23 - 
mehr als sonst das gemeinsame Gebet pflegte. mehr bezeichnet diese „Meinwoche" 
als Ueberrest der heidnischen Bedeutung des Michaelitages als Erntefest und Jahres¬ 
anfang. Nach dieser Woche wurde sogar datiert. So heißt es z. B. in einer 
aus dem Anhaltischen stammenden Urkunde vom Jahre 1336: „am Dienstag in 
der Gemeinwoche, das ist am 8. Oktober." Diese Woche nach Michaeli war aber 
dem frommen Sinne unserer Vorfahren gemäß dem gemeinsamen Gedächtnisse für 
die Verstorbenen gewidmet; zahlreiche Requiem wurden gehalten, vielleicht auch deshalb, 
weil St. Michael als Geleite der Seelen vor Gottes Angesicht galt, wie ja jetzt 
noch der Priester im Offertorium der Requiemsmesse betet: „St. Michael, der 
Bannerträger, bringe sie in das heilige Licht." Der Samstag aber war seit dem 
frühen Mittelalter der Verehrung Mariens geweiht. Deshalb beschloß man die 
"gemeine Woche" als Danksagung mit einer höchst feierlich zu Ehren der Gottes¬ 
mutter begangenen Votivnotmesse, der sogenannten „goldenen" Messe (missa aurea). 
Diese scheint in den Niederlanden entstanden zu sein. In Hildesheim wurde die 
"goldene Messe" bereits im 13. Jahrhundert vom Abt Hildebrand von Sankt 
Gothard eingeführt, ohne daß jedoch angegeben ist, daß sie in der „Meinwoche" 
gehalten wurde. Dagegen haben wir ein völlig sicheres Zeugnis für ihre Abhaltung 
gerade in dieser Woche, in der Stiftung des Propstes Otto von Woldenberg der 
dem Kollegiatstift zu St. Moriz in Hildesheim vorstand, die Bischof Heinrich zu 
Anfang der Fastenzeit 1315 bestätigte. Hier heißt es ausdrücklich, daß die „goldene 
Messe" alle Jahre am Samstag nach der „gemeinen Woche", , feierlich gesungen 
werden solle. Als dann Otto selbst Bischof wurde (1319-1331), stiftete er auch an der 
Domkirche die „goldene Messe" und wies für das Beiwohnen bei derselben dem 
Welt- und Ordensklerus bedeutende Einkünfte an. Der bekannte Augustinerpropst 
Johannes Busch von St. Bartholomäus bei Hildesheim erzählt, daß er 1439 an 
diesem Gottesdienste teilnahm und daß derselbe drei bis vier Stunden dauerte, auch 
führt er gewissenhaft die Gaben an, die er für seine Gegenwart dabei erhielt. 
Diese "goldene Messe" nun hat ihren Namen von den übertriebenen Kräften, 
die das abergläubische Mittelalter ihr zuschrieb und von dem Pompe, womit sie 
gefeiert wurde. Das Formulare war ähnlich der Roratemesse im Advent, doch 
waren 7 Orationen vorgeschrieben, nach jeder von ihnen mußte die Antiphon: hodie 
deus homo factus.. . '(heute ist Gott Mensch geworden) gebetet werden, auch wurde 
die ziemlich lange Sequenz: Ave praeclara maris stella (Sei gegrüßt, erlauchter 
Meeresstern) eingeschaltet. Nach einem Oberaltaicher Meßbuch des 15. Jahrhunderts 
hatte derjenige, der die „goldene Messe" singen ließ, 7 Almosen zu Ehren des heiligen 
Geistes zu spenden, 7 lange Kerzen dabei brennen zu lassen und gewisse Gebete 
in der Muttersprache dabei zu verrichten. Vielleicht interessiert es einen oder den 
anderen Leser zu erfahren, daß noch heute am Samstag nach Michaeli in der 
Domkirche zu Hildesheim eine Messe gesungen wird, die jetzt noch „goldene Messe" 
heißt und im wesentlichen die marianische Votivmesse von Pfingsten zum Advent ist 
mit 4 Orationen und der oben erwähnten Sequenz. 
Die „goldenen Samstage" sind nichts anderes als die Samstage, an denen 
die goldene Messe« gebräuchlich war. Da diese nach dem Zeugnisse des Propstes 
Busch außergewöhnlich lange dauerte, konnten bei weitem nicht alle befriedigt werden, 
die deren Lesung an dem Samstage in der „Meinwoche" verlangten und darum 
wohl wurden die beiden folgenden Samstage für das Singen dieser Messe gestattet 
aus dem einen „goldenen Samstag" wurden ihrer drei, was, wie das Zeugnis 
von Pischelsdorf beweist, schon vor 1400 der Fall war. Eine andere mit unserer 
wohl vereinbare Ansicht geht dahin, daß die Dreizahl der „goldenen Samstage"
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.