Volltext: Erstes Bändchen. Beiträge zur Landes- und Volkskunde des oberen Mühlviertels. (1. 1912)

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3. Der Jungfernsee und der Heuschober in Grafenau. 
(Von Johann Sigl in Niederkappel.) 
 
Mancher der geehrten Leser mag sich schon gefragt haben, warum denn der 
im Vorhergehenden öfter erwähnte „Jungfernsee" diesen Namen erhalten habe. 
Diese Frage beantwortet uns eine andere Donausage. 
In Grafenau lebten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zwei Schwestern, 
die mit einander Haus und Grund besaßen. Sie waren einander ganz ähnlich, 
nämlich eine jede war ebenso häßlich als liederlich, ihr Lebenswandel war ein schweres 
Aergernis für die ganze Dorfbevölkerung. Von Passau aus kamen jetzt protestantische 
Prediger, die in den Donauorten Anhänger zu gewinnen suchten. In Grafenau 
fiel nun sogleich das erwähnte Schwesternpaar vom katholischen Glauben ab und 
wurde lutherisch. Daß damit wenig verloren war, wußten alle katholisch gebliebenen 
Grafenauer, gleichwohl erregte dieser Abfall wieder großen Anstoß. Die Schwestern 
blieben ledig, aber eine jede war schon mehrfach Mutter geworden, dennoch nannten 
sie sich selbst immer den Katholiken zum Trotz „Jungfrauen". Es kam das Fest 
Mariä Geburt. Alles ging in die Kirche nach Niederkappel, mit Ausnahme natürlich 
dieser zwei „Jungfrauen". Diese arbeiteten unmittelbar am Kirchenweg an der 
Grummeternte und verspotteten dabei in der ärgerlichsten Weise die vorübergehenden 
Katholiken wegen ihrer Marienverehrung, ja gegen Maria selber führten sie die 
frevelhaftesten Reden. Die Katholiken ahnten jetzt nichts gutes für diese unverschämten 
Weibsbilder. Da sich auf einmal ein Gewitter zeigte, so trugen die zwei Schwestern 
ihr Heu eilends zusammen und machten einen sehr großen Schober. Da brach jetzt 
ein entsetzliches Wetter mit Donner, Blitz und Regenschauer so plötzlich los, daß 
die Arbeiterinnen schnellen Schutz dadurch suchten, daß sie sich in den Heuschober 
vergruben. Jedoch wurde dieser samt ihnen vom Windsturme in die Höhe gehoben, 
fest zusammengeballt und schließlich wieder zur Erde geschleudert. Gleichzeitig ver¬ 
sank die ganze lange Wiese, Grund- und Regenwasser füllten die entstandene Tiefe 
aus. Die Leichen der zwei „Jungfrauen" fand man schrecklich entstellt am Ufer 
liegen, und mitten im See erhob sich eine gewaltige Steinkugel ganz in der Größe 
und Form des vorherigen Heuschobers. Den neuentstandenen Sec nannten aber die 
Grafenauer „Jungfernsee". Derselbe wurde, wie wir schon gehört haben, nach fast 
dreihundertjährigem Bestände wieder ausgefüllt und 1838 wieder zu einem Weide¬ 
platz gemacht. Der steinerne Heuschober aber erhob sich auch jetzt in Mitten des 
Weidegrundes und zum Beweise seiner einstigen Bestimmung sah man an ihn deutlich 
den Einschnitt, der durch den Rechen verursacht worden war, den eine der Schwestern 
darauf geworfen hatte. Erst vor ganz wenigen Jahren mußte auch der Heuschober 
der fortschreitenden Grundverbesserung weichen; mit ihm ist zwar das letzte Denk¬ 
zeichen an die frevlerischen „Jungfrauen" geschwunden, aber noch nicht die letzte 
Kunde von denselben. 
 
4. Die Teufelskirche mit ihren Schätzen. 
(Von Johann Sigl in Niederkappel.) 
 
Eine Strecke unterhalb Grafenau, gerade über Saladobl, liegt mitten in der 
dichtbewaldeten Donauleite ein höchst auffallendes, ja schauerliches Felsengemenge. 
Es ist das, wie uns die Sage belehrt, die „Teufelskirche", so genannt, weil hier 
der „Geldteufel" seine Schätze verbirgt. In den Eindrücken, besonders an einer 
Felsenwand, kann jeder, der will, die Form von Ziegenklauen erkennen, also müssen 
da Teufel mit Bockssüßen schon viel herumgeklettert sein. Unüberlegte und habsüchtige
	        
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