Volltext: Erstes Bändchen. Beiträge zur Landes- und Volkskunde des oberen Mühlviertels. (1. 1912)

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Unflätiges und Unsittliches entstellt ein Märchen, aber eben so sehr ist von 
durchaus unpassender Zimperlichkeit zu warnen. An Derbheit aber darf sich niemand 
stoßen Das Volk redet nun einmal so, wie ihm der Schnabel gewachsen ist und 
es fällt mir nicht im Schlafe ein, solche Stellen mit dem Feigenblatt der vier 
Punkte bedecken zu wollen. Reichtum und langes Leben gehören nun einmal zum 
glücklichen irdischen Dasein, darum wird oft mit ihnen geendet. Das Grausige, 
Wunderbare und Abenteuerliche gehört notwendig zur Natur des Märchens, muß 
also mit all dem Ernste und all der Andacht behandelt werden, die ihnen ein 
kindliches Gemüt entgegenbringt. 
Und nun ein ans Werk! 
 
1. Der Teufelsfuss am Drosselstein bei Julbach. 
(Von Heinrich W öß.) 
Eines schönen Tages kam ich mit einem alten Manne, der mehr als 80 Jahre 
auf seinem Buckel hatte und trotz seines Alters noch recht kräftig war, ins Gespräch. 
Sein Aussehen war ehrwürdig und sein Haar schneeweiß. Wir setzten uns zusammen 
ans den mosigen Damm einer Wasserschwclle, die der Alte soeben abgelassen hatte, 
stopften unsere Pfeifen und sprachen über dies und das. Natürlich drehte steh unser 
Gespräch hauptsächlich um die Vergangenheit und der Greis meinte: „Nicht die 
Seiten sind schlechter geworden, wohl aber die Menschen. Doch hat es auch früher 
schlechte Menschen gegeben, ja einmal hat sogar der Teufel mitten unter uns gewohnt. 
Du sichst dort auf dem Kalvarienberg ein Türmchen glänzen und abwärts die 
kleinen Kapellen. In meiner Jugend war das alles noch nicht. Ans dem Berggipfel 
stand damals ein hölzernes, halbzersallenes Kirchlein, vom Wetter zerzaust, ohm 
Schmuck Nur drei rohgezimmerte Holzkreuze standen daneben. Beide aber, Kirchlein 
und Kreuze, wirkten mächtig ein aus die Menschen, die dort in der Einsamkeit 
Trost suchten. Um diese Zeit kam ein fremder Mann in unsere Gegend. Niemand 
wußte, woher und wer er sei. Die einen sagten, er sei ein geflüchteter Soldat, die 
anderen glaubten, daß er ein Revolutionär sei. Dieser baute sich, ohne weiter viel 
zu fragen, am Bergesabhang unterhalb des Drosselsteines aus Feldsteinen eine Hütte. 
Die Fugen verklebte er mit Lehm, das Dach beschwerte er mit Steinen, als Ofen 
diente ein gebrochener, eiserner Kessel, den er auf der Straße gefunden hatte. Bau- 
kommissionen gab es damals noch nicht, niemand legte ihm etwas in den Weg. Mit 
einem alten Rößlein, das er von Zigeunern erhandelt hatte, begann er nun sein 
Geschäft. Tag und Nacht zog er mit seinem Karren umher, fluchte wie ein Heide, 
fürchtete niemand als höchstens einen Gendarm oder Landjäger. Vor einem solchen 
hatte er mehr Respekt als vor der ganzen geistlichen und weltlichen Obrigkeit zu¬ 
sammen Er führte Waren über die Grenze und half auch hie und da einem 
Häusler den Acker bestellen. Und als der Winter gekommen war, mußte auch ein 
Stall für den Rappen gebaut werden. Das nächste Material dazu bot nun die 
hölzerne Kapelle auf dem Berge. Mein Rößlein friert, meinte er höhnisch, und um 
den alten Stadel droben ist nicht mehr schade. Und das alte Heiligtum war ver¬ 
schwunden Die Leute ließen ihn gewähren, teils aus Furcht vor ihm, teils aus 
Gleichgültigkeit. Aber das sollte sich rächen. Von dieser Zeit an war der Teufel 
los Wurde es dunkel, so ging der Spuk los. Die Bewohner trauten sich kaum 
mehr aus den Häusern heraus. Der Teufel fuhr allnächtlich durch die tiefe Gasse 
in Julbach ins Tal und zurück zum Drosselstein, wo er seinen Sitz aufschlug. Das 
war aus die Dauer nicht mehr zum Aushalten. Man pflog Beratungen; die Be- 
sonneren meinten, der fremde Fuhrmann spiele den Teufel oder stecke mit ihm selber
	        
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