Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

III. Kapitel 
Oktroyierung der Reichsverfassung: provi¬ 
sorische und bleibende Autokratie 
Noch ehe Franz Joseph sein Hilfsgesuch an den Zaren 
übersendet hatte, ward von seiner Hand ein höchst bedeut¬ 
samer Akt vollzogen, den der Zar ihm gewiß aufs tiefste 
verübelt hätte, wenn dieser nicht längst in die wirklichen 
Absichten Schwarzenbergs eingeweiht gewesen wäre. Am 
4. März 1849 wurde zwar der Reichstag, der inzwischen in 
seinem Verfassungsausschusse nach zweimonatlicher, an¬ 
strengender Arbeit den Entwurf einer Verfassung durch 
Mehrheitsbeschluß fertiggestellt hatte, durch ein kaiser¬ 
liches Dekret aufgelöst. Zugleich aber wurde am selben 
Tage eine neue, ausschließlich aus der höchsten Macht¬ 
vollkommenheit des Kaisers erflossene Reichsverfassung 
veröffentlicht" und in einem besonderen Manifest ange¬ 
kündigt. Dieses gesetzgeberische Werk war in unablässi¬ 
ger Beratung des Ministeriums Schwarzenberg während 
der seit der Thronbesteigung verflossenen drei Monate in 
völliger Verschwiegenheit zustande gebracht worden. In 
vielen Stücken schöpfte es aus den gleichzeitig stattfin¬ 
denden Beratungen des reichstäglichen Verfassungsaus¬ 
schusses, obgleich es an den ausgesprochen demokrati¬ 
schen Grundsätzen der Mehrheit dieses Ausschusses be¬ 
trächtliche Abschwächungen vollzog. Diese, den Völkern 
Österreichs „oktroyierte“ Verfassung stellte als Ganzes 
eine wohldurchdachte liberale Konstitution vor: sie unter¬ 
schied sich von dem in Kremsier geschaffenen Werke da¬ 
durch, daß sie sich auf, das ganze Reich, Ungarn ein¬ 
schließlich, erstreckte, während der Reichstag von Anfang 
an nur die Entwertung einer Verfassung für den westlichen 
Teil der Monarchie, für den aus den deutschen Erbländern, 
aus den Ländern der böhmischen Krone, aus Galizien sowie 
6 Redlich, Kaiser Franz Joseph 
81
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.