Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

„Der Kaiser“, schrieb Schwarzenberg am 29. Juli 1850 in 
einem an den Fürsten Clemens Metternich gerichteten Brief, 
„erkennt die Größe und die Schwierigkeit seiner Auf¬ 
gabe und hat den festen Willen, sie zu lösen. Sein Ver¬ 
stand ist scharf, sein Fleiß in den Geschäften, besonders 
in seinem Alter, bewunderungswürdig. Er arbeitet ernst¬ 
lich wenigstens zehn Stunden am Tage und wie viele 
Vorträge der Minister, von ihm selbst bemängelt, uner¬ 
ledigt zurückkommen, weiß niemand besser als ich. Sein 
Anstand ist würdevoll, sein Benehmen gegen alle Leute 
überaus höflich, aber etwas trocken. Die Gefühlsmen¬ 
schen — und in Wien machen viele Leute Anspruch auf 
Gemütlichkeit — sagen, er habe wenig Herz. Von der ge¬ 
wissen warmen und flachen Gutherzigkeit mancher Erz¬ 
herzoge findet man in ihm keine Spur. Er ist aber all¬ 
gemein zugänglich, geduldig und hat den guten Willen, 
allen gerecht zu sein. Er hat einen gründlichen Abscheu 
vor jeder Lüge und ist vollkommen verschwiegen. Die 
Eigenschaft, die ihm aber, besonders in der jetzigen 
Zeit, in seiner Stellung zustatten kommt, ist sein Mut. 
Ich habe ihn unter den schwierigsten Umständen, deren 
Gefahren er genau und richtig beurteilte, auch nie einen 
Augenblick verzagt gesehen. Er ist physisch und mo¬ 
ralisch ein furchtloser Charakter und ich glaube, daß 
er hauptsächlich deshalb jede Wahrheit, auch die bit¬ 
terste, verträgt, weil sie ihn nicht erschreckt. Die Zeit 
wird ihn noch selbständiger machen, wozu ich das Mei- 
nige gewissenhaft beitrage, und das Reich in ihm das 
haben, was es vor allem braucht — einen Herrn!“ 
Diese Charakteristik Franz Josephs zeichnet das Porträt 
des kaiserlichen Jünglings meisterhaft klar. Bedeutsame 
Mängel im Wesen des jungen Kaisers, die sie nicht her¬ 
vorhebt, sind großenteils gerade auch die Mängel und 
schwachen Seiten im Wesen Schwarzenbergs. Darum ent¬ 
hält diese Charakteristik fast nur Lob und Anerkennung 
Franz Josephs als Lehrling im Herrscheramte. Zutreffend 
rühmt Schwarzenberg den Mut des kaiserlichen Jünglings. 
Furchtlos zeigte sich Franz Joseph auf dem ersten Schlacht¬ 
felde, das er sah, im italienischen Kriege. Furchtlos ritt 
der junge Kaiser über die schon halb verbrannte Brücke 
in das von seinen Truppen eroberte Raab, als er seine 
gegen Görgey operierenden Armeen im Frühling 1849 be¬ 
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