Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

Nationalstaatsgedanke und der der restlosen Demokratie, 
haben, solange die alte, die Völker vereinigende Herr¬ 
schaftsidee in Franz Joseph verkörpert vor ihnen stand, 
über diese nicht die Oberhand gewinnen können. Erst als 
der Krieg und der Vernichtungswille der gegen die Zentral¬ 
mächte verbündeten Völker und Staaten jene Ideen in den 
österreichischen Nationalitäten zur Vollreife getrieben 
hatte, fiel nachträglich die Entscheidung in dem Konflikt 
zwischen der alten habsburgischen Monarchie und ihrem 
letzten Herrscher zu ungunsten ihres Kaisers nach seinem 
Tode. 
So scheint es, daß nicht Franz Joseph selbst, sondern 
vielmehr dem von ihm verkörperten Reichsgedanken im 
altösterreichischen Sinne das volle Maß der Tragik zu¬ 
erkannt werden muß. Hat Franz Joseph einmal laut die 
Klage erhoben: „Mir bleibt in dieser Welt doch nichts er¬ 
spart“, so muß sein Biograph darauf erwidern: das Letzte 
ist ihm erspart worden, der Untergang seines Reiches. Dem 
uralten Gedanken des Völkerbundes, den dieses Reich jahr¬ 
hundertelang in althistorischer und deshalb verwitternder 
Form verkörperte, ist damit nur insoweit ein Urteil ge¬ 
sprochen worden, als das Leben Franz Josephs beweist, 
daß so wie er den Völkerstaat als dynastisches Erbe fest¬ 
zuhalten suchte, dieser nicht mehr länger fortbestehen 
konnte. Daß seine Persönlichkeit mit den ihr zu Gebote 
stehenden Kräften, die wahrlich an und für sich nicht 
gering zu schätzen sind, das Bestehende doch nur zu 
Lasten seines Nachfolgers zu erhalten imstande war, ver¬ 
meint der Biograph Franz Josephs klargestellt zu haben. 
Damit ist erschöpft, was er zu sagen hatte. Die Proble¬ 
matik der zentral- und südosteuropäischen Staatenwelt, 
die sich auf den Trümmern des Reiches Franz Josephs 
erhoben hat, ist eine Erscheinung, die vollständig über die 
hier gesetzten Grenzen hinausgeht. Sie leitet ein neues 
europäisches Zeitalter ein. 
so* 
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