Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

Epilog 
Überblickt man noch einmal das ganze Leben und die 
Regierung dieses letzten Monarchen der „alten Schule“ 
europäischen Herrschertums, so drängt sich der tief tra¬ 
gische G-rundcharakter dieses Daseins dem nachdenklichen 
Beobachter unweigerlich auf. Tragisch war Franz Josephs 
Leben — nicht in dem Sinne des gewöhnlichen Sprach¬ 
gebrauchs, der so häufig das, was traurig ist, tragisch 
nennt. Gewiß ist Kaiser Franz Joseph von persönlichen 
und politischen Unglücksfällen aufs härteste betroffen 
worden. Aber tragisch ist ein Lebensschicksal nur, wenn 
es — unentrinnbar ist, wie Hermann Keyserling in treffen¬ 
der Kürze es ausspricht. Unentrinnbar ist eines Menschen 
Schicksal dann, wenn es sich im Konflikt zwischen dessen 
gegebenem innersten Wesen und darauf gegründetem Wol¬ 
len des Einzelnen einerseits, den geistigen und seelischen 
Mächten der Zeit andererseits vollzieht. Solcher Konflikt 
wächst nicht nur in der Sphäre des Politischen und So¬ 
zialen auf, solche Tragik ist nur zu oft dem Künstler, 
dem Dichter, dem geistigen Menschen überhaupt auferlegt. 
Doch in der Sphäre des Staatsmannes, des Herrschers, des 
Willensmenschen in erster Linie wirkt solche Tragik im 
wahren Sinne dieses Wortes sich in weitestem Um¬ 
kreise aus, wird auch von denjenigen verstanden, denen 
das Erfassen tieferer Zusammenhänge historischen Ge¬ 
schehens mehr oder weniger von vornherein versagt ist. 
Deshalb ist Franz Josephs Lebensschicksal in seiner 
echten Tragik mit der Zunahme der Jahre seiner Regierung 
immer mehr von den einander folgenden Generationen der 
von ihm beherrschten Völker sozusagen instinktiv ver¬ 
standen worden. Und daraus erklärt sich auch in nicht 
geringem Maße der unverkennbare Wandel in dem Urteil 
der breiten öffentlichen Meinung inner- und außerhalb 
seines Reiches, was die Persönlichkeit Franz Josephs be¬ 
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