Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

an. Wohl aber ordnete er an, daß die leitenden Beamten 
aller einzelnen Ministerien dem Erzherzog Karl "Vorträge 
über ihren Verwaltungszweig hielten, damit er doch eini¬ 
gen Einblick in die Administration gewinne. 
In der Innenpolitik gab es im Spätherbst 1916 ein Er¬ 
eignis, das den Kaiser nicht unberührt lassen konnte: 
die Ermordung des Ministerpräsidenten Grafen Stürgkh 
durch Dr. Friedrich Adler, den Sohn des Begründers und 
Führers der sozialdemokratischen Partei in Österreich. 
Franz Joseph berief unverzüglich Dr. von Koerber, der 
seit Februar 1915 den als Nachfolger des Grafen Berch- 
told zum Minister des: Äußeren berufenen gemeinsamen 
Finanzminister Baron Buriän ersetzt hatte, nunmehr an 
die Stelle des österreichischen Ministerpräsidenten. Am 
Tage seines Amtsantrittes fand Dr. von Koerber, wie er 
mir erzählte, den durch Alter und beginnendes Leiden 
tief gebeugten Kaiser in höchster Aufregung über die 
Schwierigkeiten und Verstimmungen, die sich zwischen 
der deutschen Heeresleitung und dem österreichischen 
Oberkommando sowie den beiden Begierungen in der Frage 
der Behandlung des künftigen Polen ergeben hatten. Der 
Kaiser beschwor Dr. von Koerber, die von der deutschen 
Heeresleitung ausgegangene und von den beiden Kaisern 
herauszugebende Proklamation anzunehmen, welche den 
Polen künftige Einheit und Selbständigkeit ihres Staa¬ 
tes im Verbände mit Österreich-Ungarn und Deutschland 
feierlich versprach. Koerber wies auf die inneren Wider¬ 
sprüche dieser Aktion und ganz besonders auf die schwer 
bedrohlichen Folgen dieser Maßregel hin. Als Koerber bei 
seiner anfänglichen Weigerung die furchtbare Aufregung 
des kaiserlichen Greises sah, der ihn mit aufgehobenen 
Händen nachzugeben bat, erschrak er förmlich und wil¬ 
ligte ein, allerdings nicht ohne einen kleinen, öffentlich 
kaum wahrgenommenen Zusatz zu machen, der die ganze 
von General Ludendorff und dessen Mitarbeitern erson¬ 
nene Maßregel für die Zukunft vollständig zunichte machte. 
An diesem Tage litt der Kaiser schon an einem Bron¬ 
chialkatarrh, dem seine Natur zunächst noch Widerstand 
leistete. Immer noch folgte er den Vorgängen auf dem 
Kriegsschauplätze. Die Nachrichten von den Siegen der 
unter dem Befehle des General von Falkenhayn stehenden 
deutschen und österreichischen Truppen, welche die rumä- 
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