Franz Josephs seit dem Eintritt wirklichen Verfassungs¬
lebens nicht mehr verantwortliche Ämter wie zum Bei¬
spiel das des Statthalters. Sie lebten alle als Privatmän¬
ner. Von seinen Vettern spielte Erzherzog Albrecht als der
einzige Feldmarschall der Armee beim Kaiser die Rolle des
hauptsächlichsten militärischen Ratgebers. Erzherzog Wil¬
helm fungierte als Chef der Artillerie und verwendete seine
großen Einkünfte als Hochmeister des Deutschen Ordens
im übrigen hauptsächlich zu einem durch Geselligkeit und
Pflege der Musik veredelten Genußleben. Unter der jün¬
geren Generation des Hauses Habsburg trat nun immer
mehr der Kronprinz hervor7). Erzherzog Rudolph ist aus¬
gezeichnet erzogen worden, hatte wie sein Vater als Knabe
unter der in den alten Dynastien üblichen Abhärtungs¬
methode gelitten, war aber zu einem schlanken Jüngling
herangewachsen, dessen markante und sympathische Züge
die ihm eigene hohe Intelligenz erkennen ließen. Er
ähnelte seiner Mutter, von der er auch in seelischer
Hinsicht viel, dabei auch eine gewisse nervöse Dis¬
position geerbt hatte. Ihm war eine umfassende und
gründliche Ausbildung zuteil geworden, die ihn zu
einem guten Kenner der Geschichte, vielseitig belesenen,
liberal denkenden Menschen, vor allem aber zu einem
begeisterten Jünger der Naturwissenschaft gemacht hatte,
die er sich in einigen Zweigen aufs gründlichste an¬
geeignet hatte. Unter der Leitung Karl Mengers, des Be¬
gründers der österreichischen Schule der Nationalökono¬
mie, hatte er sich auch beträchtliches Verständnis für
Volkswirtschaft erworben. Er beherrschte die großen Kul¬
tursprachen Europas und verstand die meisten der in der
Monarchie gesprochenen Nationalsprachen. Er war ein von
Natur aus hochbegabter Schriftsteller und schrieb eine
vorzügliche deutsche Prosa. Natürlich war er auch zum
Offizier herangebildet worden. Da er einen vortrefflichen
militärischen Erzieher gehabt hat, so war er auch zu
guten Kenntnissen in der Kriegs Wissenschaft und Kriegs¬
technik gelangt. Sein Hauptinteresse, das für Naturwis¬
senschaft, stand in inniger Verbindung mit seiner großen
7) Für die allernächste Zeit ist eine gründliche Biographie des Kron¬
prinzen Rudolph zu erwarten, die man dem früheren Direktor des Haus-,
Hof- und Staatsarchivs in Wien, Oskar Freiherrn von Mitis, verdankt.
Sie ist mir aber noch nicht zugänglich gewesen.
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