Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

eine Lebensfrage für Deutschland erkannte, die Ostgrenze 
des Reiches durch eine Allianzpolitik zu decken, bei wel¬ 
cher er zwischen Rußland und Österreich zu wählen hatte. 
Er entschied zu Gunsten des habsburgischen Reiches und 
geriet dadurch in einen sich schnell verschärfenden Gegen¬ 
satz zu dem alten Kaiser, den das Pietätsgefühl für seinen 
Yater und dessen Befreiung von der Übermacht Napo¬ 
leons I. durch die russische Hilfe aufs tiefste mit dem 
russischen Zarenhause verbunden hielt. So kam es, daß 
im Sommer 1879 Fürst Bismarck offen an den Grafen 
Andrässy, der ihn auf seinen Wunsch in Gastein besuchte, 
mit dem Vorschläge herantrat, eine völkerrechtlich fun¬ 
dierte Allianz zwischen dem Deutschen Reiche und der 
österreichisch-ungarischen Monarchie zu schaffen, die sich 
der große Staatsmann als eine Art von abgeänderter Fort¬ 
setzung der durch den alten Deutschen Bund geschaf¬ 
fenen Sicherung beider deutschen Großmächte dachte. 
Dieser Antrag entsprach in seinem Kerne aufs vollkom¬ 
menste den von Graf Andrässy seit jeher vertretenen, 
gewiß in erster Linie auch durch das Interesse des 
Magyarentums bestimmten Anschauungen von der Außen¬ 
politik der dualistischen Monarchie. Indem nun Franz 
Joseph diese Gedankengänge Andrässys sich zu eigen 
machte, ermöglichte er es, daß während des mehrtägigen 
Besuches des Fürsten Bismarck in der zweiten Hälfte 
des September 1879 zwischen dem Kanzler und dem Gra¬ 
fen Andrässy der so kurze und doch so inhaltsschwere 
Text des deutsch-österreichischen Bündnisses vereinbart 
wurde. Der Kampf zwischen Andrässy und Bismarck war 
im wesentlichen auf einen Punkt beschränkt: beide waren 
darin einig, daß das Bündnis eine reine Defensiv-Allianz 
sein solle. Fürst Bismarck wünschte jedoch, daß nicht 
nur der Fall des Angriffes Rußlands, sondern auch der 
Fall eines französischen Angriffes die Folgen des Bünd¬ 
nisses in Kraft treten lassen sollte. Diesen Vorschlag lehnte 
Andrässy entschieden ab. Schließlich setzte er seinen Wil¬ 
len durch. Diese ausschließlich gegen Rußland gerichtete 
Form gab dem greisen Kaiser Wilhelm den schwersten 
Anstoß und es bedurfte der ganzen gewaltigen Autori¬ 
tät des Reichskanzlers und der Unterstützung der her¬ 
vorragendsten preußischen Staatsmänner, um schließlich 
Kaiser Wilhelm zur Unterzeichnung des Bündnisvertrages 
23 Redlich, Kaiser Franz Joseph 
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