Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

wäre. Er hat Beust berufen, um eine vorsichtige, den Kraft¬ 
verhältnissen des Reiches entsprechende Politik künftiger 
Revanche vorzubereiten. Die jetzt großenteils bekannten 
Akten zeigen, wie Franz Joseph gegenüber dem Drängen 
Napoleons III. auf Allianz mit ihm und Italien gegenüber 
der europäischen Machtstellung Preußens seit 1867 nur 
mit Behutsamkeit und Mißtrauen eine im wesentlichen 
passive Rolle spielte, bis es 1869 zwar nicht zu Verträgen, 
-aber doch zu gewissen rein persönlichen, von den drei 
Souveränen getroffenen Abmachungen gekommen ist. Als 
dann Bismarck den Krieg mit Napoleon herbeiführte, 
glaubte Franz Joseph anfänglich, daß die Gelegenheit ge¬ 
kommen sei, die Stellung, die er in Deutschland verloren, 
wiederzugewinnen. Er fühlte sich noch immer als ,,deut¬ 
scher Fürst“ und als solcher sah er die zu Beginn des 
Krieges erfolgte Einigung Preußens mit den süddeutschen 
Staaten zu gemeinsamem Kriege als eine ihm neuerlich 
zugefügte Niederlage an. Er fühlte auch noch nicht genug 
deutsch im neudeutschen Sinne des Wortes, als daß er 
Bedenken gehabt hätte, bei ungünstigem Anfang des Krie¬ 
ges aus seiner Neutralität herauszutreten und durch seine 
Einmischung in den Kampf eine Stellung in einem neuer¬ 
lich umgestellten Deutschen Bunde wieder zu erlangen. 
Darin war er mit seinem Vetter, dem Erzherzog Albrecht, 
einig und auch mit Beust, von dem man keinerlei Gefühl 
der Pietät für Bismarck und dessen Werk verlangen durfte. 
Aber dazu kam es nicht. Denn sowohl Beust als auch 
Franz Joseph zögerten um so mehr, als ihnen bekannt 
war, daß Zar Alexander II. seinem preußischen Oheim im 
Falle von Österreichs Einmischung in den Krieg gewaltige 
Waffenhilfe nicht nur versprochen hatte, sondern sie zu 
leisten auch bestimmt entschlossen war. Der ungarische 
Ministerpräsident, Graf Andrässy, war von Mißtrauen gegen 
Beust seit langem beherrscht und schon infolge der Furcht 
der Magyaren vor Rußland jeder gegen Deutschland ge¬ 
richteten Politik der Monarchie aufs tiefste abgeneigt. 
Im entscheidenden Kronrate hat Graf Andrässy die ab¬ 
solute, ja selbst freundliche Neutralität Österreich-Un¬ 
garns während des deutsch-französischen Krieges durch¬ 
gesetzt. Fürst Bismarck hat das dem magyarischen Staats¬ 
manne nie vergessen. Die Gründung des Deutschen Reiches 
hat Franz Josephs Hoffnung auf etwaige Revanche schnell 
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