Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

gegenüber, die in Wahrheit die große Mehrheit der öster¬ 
reichischen Bevölkerung repräsentierte. Polen, Tschechen, 
Slovenen, Kroaten, Italiener, aber auch die Vertretungen 
der alpenländischen kerndeutschen Bauernschaft standen 
vereint der Verfassungspartei und ihrer Regierung gegen¬ 
über, die zunächst mit aller Kraft ihre antikirchliche Po¬ 
litik betrieb, zumal seit des Papstes Pius IX. aggressive 
katholische Kirchenpolitik alle europäischen Staaten, vor 
allem Deutschland und Österreich, in schwere geistige und 
politische Bewegungen und Kämpfe stürzte. Pür die Ver¬ 
fassungspartei war es besonders verhängnisvoll, daß in 
der aus ihrer Mitte geschaffenen Regierung selbst jener 
große politische Gegensatz sehr bald hervortrat. Eine vom 
Minister Grafen Taaffe geführte Minorität des Ministeriums 
lehnte die streng zentralistische Politik der Verfassungs¬ 
partei ab und solche schwere Uneinigkeit lähmte von 
Anfang an das System der parlamentarischen Regierung, 
das Franz Joseph schweren Herzens 1867 auch für 
Österreich angenommen hatte. Die Kämpfe zwischen 
den Völkern und Parteien Österreichs, welche mit der 
Dezemberverfassung von 1867 beginnen, führten während 
eines Jahrzehnts zu dem bleibenden und folgenschweren 
Ergebnis, daß die politische Vormachtstellung des Deutsch¬ 
tums in Österreich für immer zerstört wurde. /Nicht die 
Darstellung der einzelnen Phasen dieses ganzen Prozesses, 
sondern nur die persönliche Stellung des Kaisers zu dem 
von da an unaufhaltsam sich zur vollen Schärfe entwickeln¬ 
den Staatsproblem der westlichen Hälfte seines Reiches 
kann uns hier beschäftigen. 
Da ist es nun zweifellos, daß die tiefe Abneigung, mit 
der Franz Joseph dem Liberalismus gegenüberstand, 
durch seine persönlichen Erfahrungen in diesen Jahren 
nicht ohne mancherlei Verschulden auf Seite der liberalen 
Politiker der Deutschen Österreichs und ihrer zu Ministern 
erhobenen Führer verstärkt wurde. Vor allem, weil Franz 
Joseph merkte, daß diese Politiker von ihrer Partei immer 
nur schwächlich unterstützt wurden, daß zwischen den 
einzelnen Ministem und den von ihnen vertretenen Grup¬ 
pen selten Einigkeit bestand, sondern vielmehr häufig bis 
zur Gehässigkeit gesteigerte Gegnerschaft, die großen¬ 
teils auf Eitelkeit und rein persönlicher Rivalität der 
Führer beruhte. Den liberalen Parlamentariern Österreichs 
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