Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

Daß Franz Joseph spreng religiös erzogen wurde, ist selbst¬ 
verständlich. In diesem Betracht war die ausgesprochen 
gläubige Natur seines Erziehers, des Grafen Bombelles, von 
ausschlaggebendem Einfluß, gewiß aber auch die glaubens¬ 
starke Eigenart der Mutter. Eranz Joseph hat sich immer 
als ein treuer Bekenner des katholischen Glaubens er¬ 
wiesen, wenn er auch in seiner langen Regierungs zeit 
wiederholt sehr verschiedenartige Stellung zur Kirche und 
ihrer Herrschafts Stellung einzunehmen sich bereit fand: 
Franz Joseph hielt es mit der Religion wie wohl jeder alt¬ 
österreichische adelige Gentleman. Diesem erscheint das 
katholische Glaubensbekenntnis auch heute noch als ebenso 
naturhaft und selbstverständlich wie die Berge, die sein 
Land bilden, als eine der gegebenen großen Tatsachen 
seines Lebens. Man spricht darüber nicht viel, man liebt 
seit jeher in den alteingesessenen Kreisen Österreichs 
nichts weniger als populäre oder gar „wissenschaftliche“ 
Gespräche über den Glauben. Denn jeder weiß, daß es sich 
eben um den Glauben in der Religion handelt, nicht um 
wortreiche oder tiefsinnige Beweise. Nicht was der Ein¬ 
zelne zu den Dogmen des Glaubens sagt, ist wichtig, im 
Gegenteil, nur auf das, was die Kirche den Einzelnen 
lehrt, kommt es an. Kritik und Abneigung gegen den 
Protestantismus ist in diesen Kreisen allerdings immer 
eine Überlieferung gewesen; gewiß auch im Hause der 
Erzherzogin Sophie, deren leidenschaftlicher Katholizismus 
sich aber eigentlich nur auf ihren dritten Sohn, auf den 
Erzherzog Karl Ludwig, vererbt zu haben scheint. Kaiser 
Franz Joseph ist jedenfalls nie ein Frömmler gewesen. 
Ebensowenig war ihm tiefinnerliche Religiosität zu eigen. 
Seine ganze Wesensart schloß ihn davon aus. Denn der 
Grundzug seiner Anlage war unverkennbare Nüchternheit, 
Verständigkeit, wohl auch Schnelligkeit der Auffassung, 
nicht minder eine gewisse Trockenheit der Forderungen 
und der Erzeugnisse des Gemütslebens. Alles Mystische 
war ihm fremd. Der Unklarheit und Verschwommenheit im 
Wesen und in der Ausdrucks weise der Menschen blieb er 
Franz Josephs, aus der man die große Sorgfalt kennen lernt, mit welcher 
die Mutter des späteren Kaisers und die von ihr berufenen Erzieher ihr 
Werk vollbracht haben. Daß dabei auch manche Fehlgriffe vorkamen, 
verschweigt Helfert nicht. So tadelt er den recht mangelhaften Unter, 
rieht des Erzherzogs in Geschichte. 
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