Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

steigenden Streitfragen bildete sieb nach und nach eine 
ganze „Wissenschaft“ vom Wesen der neuen Österreichisch- 
Ungarischen Monarchie als staatsrechtlicher Besonderheit 
aus. Dazu gehörte auch ein ganzes Dickicht von formalen 
Fragen über den Gebrauch der beiden Titel, die Franz 
Joseph nun bei den verschiedenen Akten, die er als gemein¬ 
samer Herrscher zu vollziehen hatte, führte. So sonderbar 
dem in alle diese Feinheiten österreichischer und ma¬ 
gyarischer Jurisprudenz nicht eingeweihten Ausländer das 
erscheinen mochte, so lagen hinter diesen scheinbar 
zeremoniellen oder rein juristischen Streitigkeiten sehr 
gewichtige Machtfragen auf beiden Seiten verborgen. Zu¬ 
nächst ließen es die Magyaren dabei bewenden, daß das 
hergebrachte sprachliche Attribut des Herrschertums in 
Österreich, das altberühmte „kaiserlich-königlich“ (k. k.), 
das in Österreich bei allen amtlichen Bezeichnungen, Ti¬ 
teln usw. in weitestem Gebrauche stand, auch weiterhin 
aufrecht blieb: erst etwa zwanzig Jahre später bildete es 
eine der nationalen Errungenschaften des Magyarentums, 
daß in Österreich an Stelle der beiden berühmten Buch¬ 
staben die erweiterte Formel: „kaiserlich und königlich“, 
k. und k. gesetzt wurde, was erst die Gleichberechtigung 
der beiden Staaten in voller Klarheit zum Ausdrucke 
brachte. 
Franz Joseph war also jetzt dualistischer Monarch, 
Kaiser und König. Da ein solches Herrscheramt in der 
Geschichte bis dahin nie vorgekommen war und da, wie 
schon angedeutet, die Auffassung der magyarischen Juristen 
und Staatsmänner vom Wesen dieser „dualistischen Mon¬ 
archie“ in den meisten Stücken den Theorien und Kon¬ 
struktionen der deutsch-österreichischen Staatsmännerund 
Rechtsgelehrten vollständig widersprach, so kam alles dar¬ 
auf an, was der Träger der doppelten Herrscherwürde, was 
Franz Joseph selbst tatsächlich aus seinem rechtlich so 
schwer definierbaren Herrscheramte machen würde. Alle 
hierbei in Frage kommenden Formeln und rechtlichen Be¬ 
zeichnungen und Begriffe waren doch zunächst nur leere 
juristische Gehäuse: der lebendige politische Inhalt, der 
sich in diese ergießen würde, konnte allein den Sinn und 
, das wirkliche Wesen dieser neuen Species eines Reiches 
erschließen, welches die Magyaren — „sie sind alle Husaren 
oder Advokaten“ wie Bismarck einmal sagte — zweifel- 
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