Die digitale Landesbibliothek Oberösterreich

in Ungarn eintretende methodische Steuerverweigerung 
der Bauern und Bürgerschaft die durch den Krieg ohne¬ 
dies so geschwächten Finanzen recht empfindlich traf. 
Der jugendliche Kaiser bewahrte aber wie immer seine 
Haltung, wenn er es auch gewiß nicht an ernsten Worten 
den Altkonservativen gegenüber fehlen ließ. Als auch in 
Wien und in den Städten des westlichen Österreich die 
bürgerlichen Kreise sich gegen die Adelspolitik auf¬ 
lehnten und nun auch, wenngleich dies nach außen nicht 
sichtbar ward, von der hohen Bürokratie kräftig unter¬ 
stützt wurden, ließ sich Franz Joseph noch einmal von 
den Altkonservativen überreden, daß der außerordent¬ 
liche Mißerfolg des Oktoberdiploms im ganzen Reiche vor 
allem der Unpopularität der österreichischen Minister, 
besonders Goluchowskis, zuzuschreiben sei und daß man 
an die Stelle des letzteren denjenigen Mann setzen müsse, 
nach dem die ganze öffentliche Meinung Wiens und des 
deutschen Bürgertums überhaupt längst rufe: nämlich 
Anton von Schmerling, den Reichsminister Deutschlands 
im Frankfurter Parlamente von 1848, der später einige 
Zeit als Justizminister dem Ministerium Schwarzenberg 
angehört hatte. Franz Joseph kannte also Schmerling, 
hatte aber bisher dieser Verkörperung der politischen 
Ideale der Wiener zweiten Gesellschaft keine große Sym¬ 
pathie entgegengebracht und das um so weniger, seit 
Schmerling bei der Hundertjahrfeier Friedrich von Schil¬ 
lers im Jahre 1859 von dem ganzen gebildeten Bürgertum 
Wiens als Führer des „Fortschrittes“ und als leitender 
Staatsmann der Zukunft bejubelt worden war. Für Anton 
von Schmerling sprach bei Franz Joseph, daß er ihn trotz 
seines Liberalismus als einen Mann von Autorität ansah, 
der auch im Jahre 1848 dem „Mob“ der Frankfurter Demo¬ 
kratie die starke Hand gezeigt hatte. So fand sich der 
Kaiser denn bereit, die konstitutionelle -Experimental¬ 
politik, auf die er sich schon einmal hatte einlassen 
müssen, nun mit Schmerling fortzusetzen. Zu seiner Be¬ 
friedigung erkannte der Kaiser schon nach der ersten Au¬ 
dienz, daß Schmerling in der Beurteilung der durch die 
Politik der Altkonservativen in Ungarn herbeigeführten 
Zustände und eigentlich auch in der Beurteilung der hoch¬ 
adeligen Träger dieser Politik mit ihm vollkommen über¬ 
einstimmte. Franz Joseph hatte sein von Anfang an ge- 
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