Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

Reiches bildeten, bewähren würde. Da folgte nun für die 
großen Herren schnell eine Enttäuschung nach der an¬ 
deren. Nicht wenige von den Altkonservativen hatten von 
Anfang an den Optimismus des Grafen Szecsen, des eigent¬ 
lichen Schöpfers des Oktoberdiploms, keineswegs geteilt: 
aber der Sturm, der jetzt in Ungarn ausbrach, überraschte 
alle. Niemand wollte dort auch nur das Geringste von 
einem Reich und Reichsparlament wissen, dem sich das 
alte Königreich der heiligen Stephanskrone unterordnen 
sollte: schnell zeigte es sich, daß im ganzen weiten Lande 
Niemand hinter den Altkonseryativen stand. Als es 
einige Zeit darauf zur Festsetzung des Wahlrechtes für 
den Landtag kam, wurde von der hierzu auf Grund alt¬ 
ungarischer Tradition einberufenen Notabienversammlung 
einstimmig das vom Revolutionsparlament von 1848 er¬ 
lassene liberale Wahlgesetz angenommen: damit war 
eigentlich schon der ganze große Plan der ungarischen 
Grafen zu Boden gefallen. Die unablässigen, immer hef¬ 
tiger werdenden Demonstrationen in Ofen, Pest und in den 
anderen größeren Städten des Landes, die stürmischen 
Vorgänge bei der Konstituierung der Komitate und Stadt¬ 
vertretungen nach ungarischem Recht, wobei sich fast 
überall der schärfste magyarische Nationalismus all¬ 
mächtig zeigte, wiesen mit aller Deutlichkeit darauf hin, 
wie der Landtag zusammengesetzt sein werde. Es gab nur 
eine Meinung im Lande: daß nämlich das von den hoch¬ 
adeligen Reaktionären geschmiedete Oktoberdiplom den 
schlimmsten Bruch des ungarischen Verfassungsgesetzes 
vorstelle und daher vollkommen unannehmbar sei. Die 
^ungarischen Minister in Wien gerieten in die peinlichste 
Lage; was sie dem Kaiser versprochen hatten, erschien 
sogleich als unerfüllbar. Franz Joseph aber hatte allzu 
leichtherzig sein dem ungarischen Adel gegebenes Wort 
vollauf eingelöst. Er hatte seine Behörden in Ungarn 
außer Kraft gesetzt und das national-magyarische Self¬ 
government in Grafschaft und Munizipalstadt herstellen 
lassen, so daß binnen weniger Wochen das Land ganz in 
die Hände des intransigenten Magyarismus und nationalen 
und politischen Radikalismus kam, so daß nur das Vor¬ 
handensein der starken Militärmacht den Ausbruch einer 
Revolution verhütete. Franz Joseph wurde durch diese 
Erscheinungen in große Sorge versetzt, zumal da die jetzt 
268
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.