Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

liehe Reichspartei in den Augen des Hofes jene politischen 
Kräfte vor, denen sich der Kaiser anvertrauen konnte. So 
sehr nun auch Kranz Joseph noch immer jeder rechtlichen 
Einschränkung seiner Selbstherrschaft widerstrebte, so er¬ 
schien ihm doch eine Konzession an diesen zur Teilnahme 
an der Politik immerhin historisch berufenen „Stand“ 
annehmbar, wenn es der Adelspartei wirklich gelang, die 
Reichseinheit und den zentralistischen Aufbau der kaiser¬ 
lichen Gewalt zu erhalten. Dies versprachen ihm alle 
Denkschriften und Yorträge der ungarischen Altkonser- 
vativen. die ihrerseits nur eine Hauptforderung stellten: 
Wiedereinführung der viele Jahrhunderte alten historischen 
Verfassung Ungarns. Das hieß soviel wie Einberufung 
des ungarischen Landtages und Aufhebung der seit 1850 
geschaffenen streng zentralistischen und bürokratischen 
Verwaltung Ungarns zugleich mit der Wiedereinrichtung 
des alten magyarischen Selfgovernment in den Komitaten 
und Munizipalstädten. Auf diese Weise hofften die Mag¬ 
naten wieder die alte vorrevolutionäre Herrschaft des 
Adels in Ungarn auf richten und die politische Führer¬ 
schaft des Landes übernehmen zu können. Die Minister Franz 
Josephs waren bestrebt, sich diesem Programme einiger¬ 
maßen anzupassen, indem sie das vom Grafen Rechberg 
schon im Einverständnis mit den Altkonservativen ver¬ 
faßte Regierungsprogramm auszuführen suchten. Es sollte 
auch in Österreich eine neue ständische Staatsordnung ge¬ 
schaffen werden, welche die staatswissenschaftlich ge¬ 
bildeten Führer des österreichischen Hochadels durch die 
Bezeichnung als „Selfgovernment“ der bürgerlichen und 
bäuerlichen Bevölkerung schmackhaft zu machen bestrebt 
waren. Diese Pläne fanden aber in dem inneren Triebwerk 
der Regierung große Widerstände: mehr und mehr lehnte 
sich die Wiener Haute Bureaucratie gegen diese von dem 
neuen Minister des Innern, Grafen Goluchowski, vertrete¬ 
nen Pläne auf. Die liberale Presse Wiens hatte nach den 
Debatten des Reichsrates und nach der Annahme des Pro¬ 
grammes des Feudaladels begonnen, gegen diese Politik 
mobil zu machen. Man feierte die wenigen bürgerlichen 
Mitglieder des Reichsrates, die offen eine konstitutionelle 
Reichsverfassung in modernem Sinne gefordert und durch 
diese „Kühnheit“ den Hof sowie die Adelspartei nach¬ 
haltig verletzt hatten. 
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