Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

gouverneur resigniert und an seine Stelle war Feldzeug¬ 
meister Ludwig von Benedek, ein protestantischer Magyar, 
getreten. Das Handschreiben, in welchem der Kaiser diese 
Änderung verkündete, stellte einen weiteren, sehr folge¬ 
reichen Schritt der neuen Politik vor. Der Kaiser sprach 
darin nämlich aus: „Es ist meine Absicht, für die An¬ 
gelegenheiten der politischen Verwaltung, sobald die neue 
Organisation der Statthalterei in das Leben getreten sein 
wird, KomitatsVerwaltungen einzuführen und denselben 
nach Art des vormals bestehenden Systems Komitats- 
kongregationen und Ausschüsse in den den gegenwärtigen 
Verhältnissen entsprechenden Zusammensetzungen und 
Wirkungskreisen beizugeben. 
Im Einklänge mit diesen Verfügungen befehle ich, daß, 
nachdem die Gemeindeordnung und die Komitatsverfassung 
in Wirksamkeit getreten sein werden, die Anträge in Be¬ 
treff des Landtages vorbereitet werden, damit das in 
allen Kronländern einzuführende Prinzip der Selbstver¬ 
waltung durch Orts-, Bezirks- oder Komitats-Gemeinden 
durch Landtage und Landtagsausschüsse auch in meinem 
Königreiche Ungarn zur Geltung gebracht werde.“ 
Alle diese Verordnungen waren nach langen Minister¬ 
beratungen, in denen der Kaiser persönlich den Vorsitz 
führte, zustande gebracht worden. Als dann der außer¬ 
ordentliche Reichsrat am 1. Juni zusammentrat, entspann 
sich eine lange Debatte über das vorgelegte Reichsbudget, 
wobei es sich zeigte, daß die Mehrheit der Versammlung 
unter der Führung der ungarischen Altkonservativen 
stand, während die politischen Ideen des liberalen Bürger¬ 
tums von einer an Zahl nicht bedeutenden Minorität ver¬ 
treten wurden. Die Debatten über die von der Minderheit 
vorgelegten Adreßentwürfe gaben bei aller Behutsamkeit 
der Sprache dieser adeligen, kirchlichen und bürgerlichen 
Notablen doch ein klares Bild der ganzen politischen Ge¬ 
dankenwelt und Struktur Österreichs, wie es das Jahr¬ 
zehnt der Selbstherrschaft „und die Einwirkungen des ver¬ 
lorenen Krieges geschaffen hatten. Zwei große politische 
Anschauungen über das Wesen des Reiches und das, was 
zu seiner Aufrechterhaltung und Kräftigung erforderlich 
sei, hatten sich ausgebildet: sie repräsentierten die beiden 
großen Parteien, die in der damaligen ersten, noch nicht 
vollkommen ausgereiften Gestaltung ihrer Ideen für die 
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