Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

der Niederlage der Armee voll von Bedenken; Franz Joseph 
wußte, daß es nicht nur in Ungarn, sondern auch in Wien 
Leute gab, die seinen Bruder Max Ferdinand für „liberal“ 
hielten und von ihm eine bessere Regierung erwarteten, 
als es die Franz Josephs war. Alte Überlieferungen be¬ 
richten, daß es damals zwischen beiden Brüdern zu bösen 
Worten und aufgeregten Szenen gekommen sei. Die bisher 
für den Kaiser maßgebende Persönlichkeit, seine Mutter, 
konnte ihm jetzt keine Stütze bieten. Von den alten, 
öffentlich verfehmten Ratgebern war nur Graf Grünne 
geblieben, an dem er trotzig festhielt — erst zwei Jahre 
später fand ein Wechsel in der Generaladjutantur statt —, 
und doch wußte er, daß alle Welt in Wien, darunter auch 
die besten Generäle der Armee, auf Grünne sehr schlecht 
zu sprechen waren, daß er der Verderber Franz Josephs 
genannt wurde. Der neue Ministerpräsident, Graf Rech¬ 
berg, stand ihm persönlich fern. Dieser drängte den Kaiser 
ganz besonders auf die Ausführung umfassender inner¬ 
politischer und administrativer Formen, die er für eine 
Vorbedingung einer glücklicheren Außenpolitik hielt. 
Einige Jahre später schrieb Rechberg in einem Briefe an 
seinen Bruder: „Nach Beendigung dieses traurigen Feld¬ 
zuges, der den Verlust der Lombardei zur Folge hatte, er¬ 
kannte ich die mir gestellte Aufgabe als darin bestehend, 
die Monarchie nicht wieder in einen größeren Krieg zu 
verwickeln, ehe nicht die inneren Zustände in der Weise 
geordnet sind, daß der Kaiser über die Gesamtkraft der 
Monarchie verfügen könnte, ehe nicht die Finanzen her¬ 
gestellt, die Armee genügend ausgerüstet und politische 
Allianzen mit den Großmächten wieder angeknüpft wer¬ 
den.“ Von Rechberg erfuhr nun der Kaiser eine Darstel¬ 
lung der inneren Lage, die es an Kritik des Bach’schen 
Systems gewiß nicht fehlen ließ, denn er stand ganz im 
Banne der Anschauungen, die der Fürst Metternich nach 
der Revolution zehn Jahre lang immer wieder seinen 
Freunden dargelegt hatte. Graf Rechberg war also ein 
Konservativer in dem Sinne, welchen diese Parteibezeich¬ 
nung in Wien seit der Niederwerfung der Revolution emp¬ 
fangen hatte. Das hieß so viel, als daß Rechberg, der 
selbst durch seine Familie uraltem süddeutschen Feudal¬ 
adel zugehörte, über das Problem des habsburgischen 
Reiches im wesentlichen ebenso dachte, wie die ungari- 
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