Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

von diesem unterstützte Politik des Konkordates und des 
Militarismus. Es gab Augenblicke, in denen der ganze be¬ 
stehende Machtapparat der Selbstherrschaft zu wanken 
schien. Aber auch am Hofe und bei den Erzherzogen war 
die Stimmung gegen den Kaiser ungünstig geworden; wie 
es schon zu gehen pflegt, waren diejenigen, die vorher 
nicht gewagt hätten, leiseste Kritik offen dem Kaiser 
gegenüber zu üben, dieselben, die ihn am schärfsten ver¬ 
urteilten. Im Ministerrate wurde die Stimmung der Be¬ 
völkerung in sehr ernster Weise geschildert. Als Rechberg, 
der das Präsidium führte, zum Kaiser nach Verona kam, 
stellte er ihm ohne Schönfärberei den Ernst der inneren 
Zustände dar. Er sprach offen aus, daß, wenn nichts gegen 
die weitere Entwicklung dieser Stimmung erfolge, die 
Existenz der Monarchie bedroht sei. Der Eindruck, welchen 
solche Botschaften auf den Kaiser machten, läßt sich 
leicht ermessen. Es waren in der Tat die schwersten Stun¬ 
den, die dem jungen Selbstherrscher nunmehr auferlegt 
waren. Vielleicht merkte er nun zum erstenmal die Größe 
der Gefahr, die dem Selbstherrscher droht: auf ihn, dessen 
Willen allein seit einem Jahrzehnt Macht hatte in dem 
weiten Reiche, fiel nun die ganze Schwere der Folgen, 
welche die Niederlage der Armee und Franz Josephs blind 
vorstürmende Diplomatie sowie der seit der vergeblichen 
Kaiserreise in Ungarn daselbst mächtig anwachsende Haß 
gegen die Einrichtungen des absolutistischen Systems nach 
sich ziehen mußten. 
Es ist kein geringes Zeichen der inneren Festigkeit 
Franz Josephs, daß er in dieser Lage nicht nur aufrecht 
blieb, sondern schnell zu handeln vermochte. Der Prälimi¬ 
narfrieden von Villafranca war das erste Ergebnis seiner 
persönlichen Beurteilung der Situation, in der er und sein 
Reich sich befanden. Die Entlassung Alexander Bachs 
erfolgte nun sogleich; die Entlassung des Polizeiministers 
General Kempen, dessen Ersetzung durch den bisherigen 
Botschafter in Paris, Grafen Hübner, und die Ernennung 
des Statthalters von Galizien, des Grafen Goluchowski, 
zum Minister des Innern, wurden erst einige Zeit später 
durchgeführt. Diese Berufungen bewiesen dem Kenner der 
Verhältnisse, daß der Kaiser wieder seinen vollen Gleich¬ 
mut gefunden hatte. Denn was die von Franz Joseph so 
gering geschätzte öffentliche Meinung von ihm verlangte 
17 Redlich, Kaiser Franz Joseph 
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