Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

Kritik des Eeichsrates häufig genug sehr unangenehm war, 
da sie sich auf diesem Wege manche Abänderungen ihrer 
Pläne und Gesetze gefallen lassen mußten. Gemeinsame 
Sitzungen der Minister und Reichsräte führten wohl je¬ 
weils Verständigung herbei, im ganzen aber war es doch 
vollständig anders, als Kübeck es sich gedacht hatte. Der 
Minister des Innern, Dr. Alexander Bach, den er vor allem 
hatte aus dem Sattel heben wollen, blieb, ja ward noch 
mehr der geistige und politische Leiter der Regierung. 
So war es nicht verwunderlich, daß der greise Kübeck 
in Gesprächen mit vertrautesten Freunden und in seinem 
Tagebuch sich in bitteren Anklagen über Bachs uner¬ 
schütterliche Vormachtstellung bei Franz Joseph erging. 
Ein Antrag Kübecks, daß der Reichsrat eine Art von Kon¬ 
trolle über die Amtsführung der Minister ausüben solle, 
fand beim Kaiser keine Annahme. Inzwischen hatte Franz 
Joseph doch soviel gelernt, daß er wußte, wie sehr solche 
Kontrolle der Verwaltung mit einer energischen Führung 
der Regierungsgeschäfte unerträglich war. Vielleicht hielt 
er auch seine persönliche Kontrolle für vollkommen ge¬ 
nügend. 
So war es in den obersten Kreisen bald bekannt, daß 
der Präsident des Reichsrates beim Kaiser nicht mehr 
entscheidenden Einfluß besitze, wenn auch Franz Joseph 
dem alten Staatsmanne immer wieder persönliches Wohl¬ 
wollen zeigte. Kübeck litt schwer unter der Zurückset¬ 
zung, die ihm durch Nichtbeachtung seiner Anträge und 
den überragenden Einfluß Dr. Bachs zuteil wurde, seine 
Kritik traf alsbald nicht nur die Finanzpolitik, sondern 
auch die Außen-und Kirchenpolitik des Ministeriums. Diese 
Kritik ist dann nur zu schnell durch die Ereignisse in ihrer 
Richtigkeit bestätigt worden. Als Kübeck, an Cholera er¬ 
krankt, binnen vierundzwanzig Stunden am 11. September 
.1855 starb, blieb der Reichsrat zwar aufrecht erhalten, ver¬ 
lor aber allgemach jede politische Bedeutung. Die Er¬ 
nennung des Erzherzogs Rainer zu dessen Präsidenten 
brachte das sozusagen offiziell zum Ausdruck. 
In der Tat war also von Anfang an die Selbstherrschaft 
des jungen Kaisers im wesentlichen auf den Minister¬ 
absolutismus gestützt. Wie hätte es auch anders sein 
können? Die einzigartige Persönlichkeit Dr. Alexander 
Bachs, der skrupellose Schlauheit und aalglatte Gewandt¬ 
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