Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

schrecken oder gar zu gefährden. In der „Popularität“ 
des „guten“ Kaisers Franz und in der Legende von seiner 
Gemütlichkeit und Biederkeit fand diese Epoche auf 
österreichischem Boden ihren politischen Ausdruck, ge¬ 
rade so wie sie sich in den Leistungen der österreichischen 
Malerei und des Kunsthandwerks jener Zeit, in der feinen 
und reichen Gesellschaftskultur der bürgerlichen Familien 
Wiens zur Schubert-Zeit und in dem noch kaum veränder¬ 
ten altertümlichen Leben des alten deutschen Kernvolkes 
in den Alpenländern und den Alpenstädten vielfach wider¬ 
spiegelte. Allerdings sind diese Jahre auch die Zeit, in 
der Franz Grillparzers Genius ausreifte. Nicht un¬ 
berührt von der weichen einschläfernden Atmosphäre, die 
Stadt und Land damals erfüllte, wird der große Dichter 
doch unweigerlich mit den Jahren zum schärfsten An¬ 
kläger der öffentlichen Zustände seines Vaterlandes und 
der von seiner Regierung befolgten Grundsätze. „Wien — 
du Capua der Geister“ — ist das bittere Wort, mit dem er 
— die von ihm so geliebte schöne Heimat kennzeichnete! 
Grillparzer wußte besser als die meisten seiner zeitgenössi¬ 
schen Landsleute, wie tief die Übel wurzelten, an welchen 
das Österreich des Kaisers Franz und seines Kanzlers 
Metternich krankte. Ihn täuschte nicht die Einfachheit 
und Bürgerlichkeit des Kaisers und ebensowenig das Pre¬ 
stige der habsburgischen Machtstellung in der Welt, noch 
der diplomatische Ruhm des „Kutschers von Europa“, wie 
der Staatskanzler von seinen Getreuen gern genannt wurde. 
Grillparzer wußte, wie weit Österreich seit einer langen 
Reihe von Jahren hinter dem Fortschreiten der tech¬ 
nischen Zivilisation des Westens — vor allem auch 
Deutschlands — von dem es einen Teil bildete — zurück¬ 
geblieben war. Das „Stabilitätssystem“ des Kaisers hatte 
allmählich das österreichische Deutschtum, das gerade 
damals eine Fülle von Talenten auf allen Gebieten geisti¬ 
gen und künstlerischen Schaffens hervorbrachte, doch als 
Ganzes zu einem Stillstand gebracht, der immer schärfer 
sich abhob von dem neuen Fortschrittsgedanken, wie er 
sich in dem ganzen Leben der westlichen Völker Europas 
immer zuversichtlicher und mächtiger durchsetzte. Der 
Sieg über die „Ideen der französischen Revolution“ wurde 
in Österreich von den Regierenden als ein Gottesgericht 
aufgefaßt, das den Rechtstitel abgab zur Verdammung 
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