Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

das Herz der Mutter, der bayrischen Königstochter Erz¬ 
herzogin Sophie, die auf ihr erstes Kind die körperliche 
Schönheit und Gesundheit, aber zum Glücke nichts von 
jenen gefährlichen seelischen Elementen übertrug, die 
während des 19. Jahrhunderts so viele Tragödien im baye¬ 
rischen Haus Wittelsbach hervorgerufen haben. Die Hoff¬ 
nung auf die glänzende Zukunft ihres Sohnes Franzi, wie 
man den Knaben am Hofe zu nennen liebte, bildete für die 
willensstarke Frau, die in den folgenden Jahren ihrem 
Gemahl noch drei Söhne gebar, fortan den beherrschen¬ 
den Mittelpunkt ihres Daseins: sie erzog ihn bewußt und 
planvoll zum Thronfolger. Früh muß sie sich mit dem Ent¬ 
schluß vertraut gemacht haben, die Thronfolgerechte ihres 
Gatten und ihre eigenen Hoffnungen auf den Rang der 
Kaiserin zu Gunsten ihres Sohnes zurücktreten zu lassen. 
Der Hof, an welchem Erzherzog Franzi heranwuchs, 
bildete seit jeher den Mittelpunkt des — von Rußland 
abgesehen — größten Reiches in Europa. Ungeachtet der 
schweren Niederlagen, die das Haus Österreich in dem 
Yierteljahrhundert seiner Kämpfe gegen Frankreich, gegen 
Napoleon Bonaparte erlitten hatte, stand Kaiser Franz 
nach der endgültigen Überwindung des Cäsars durch 
Europa an erster Stelle unter den Souveränen der fünf 
Großmächte. Gewiß nicht ganz unverdient. Die Zähigkeit 
seines Charakters und die diplomatische Staatskunst seines 
ersten Beraters, des Fürsten Clemens Metternich, vornehm¬ 
lich aber auch die Loyalität und Willigkeit der vom Erz¬ 
haus regierten Völker hatten viel zu dem schließlichen 
Erfolge der gegen Napoleon geschaffenen Koalition bei¬ 
getragen. Die Wiederkehr des Friedens und das schon 
hierdurch bewirkte Steigen des Wohlstandes führte wie 
in Deutschland auch in Österreich jene „Era of good feel- 
ings“ herbei, die man viel später — etwa im letzten Jahr¬ 
zehnt des 19. Jahrhunderts — als „Biedermeierzeit“ be¬ 
zeichnet hat. Das war diejenige Epoche der europäischen 
Gesellschaftsentwicklung, in welcher die ständischen 
Unterschiede, wo und soweit sie noch bestanden, großen¬ 
teils zum Zierat des öffentlichen Lebens und zu einer Art, 
von Altertümern umgewandelt erschienen, da die moder¬ 
nen Klassengegensätze noch viel zu wenig hervortraten, 
um die neue staatsbürgerliche Gesellschaft des durch die 
Aufklärungsepoche geschaffenen Rechtsstaates zu er¬ 
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