Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

als einen Beweis der Unzuverlässigkeit des jungen Kai¬ 
sers ansehen, und dieses Verhalten Franz Josephs das Mi߬ 
trauen, welches die englische Regierung, vor allem Palmer¬ 
ston, von Anfang an dem Wiener Kabinett bezeugt hatte, 
nur allzusehr rechtfertigen. Als vollends Franz Joseph nach 
dem Tode des Zaren Nikolaus das ihm von Napoleon durch 
seinen Minister des Äußern überbrachte Angebot zu einem 
festen Bündnis mit Frankreich ablehnte, erschienen die 
Beziehungen zwischen Österreich einerseits und Frankreich 
und England andrerseits, welch letzteren der junge Kaiser 
doch eigentlich so viel Unterstützung geleistet hatte, 
gegenüber dem Stande der Dinge von 1853 wesentlich ver¬ 
schlechtert; die alten, noch aus der Zeit Schwarzenbergs 
herrührenden Konflikte wirkten noch immer nach und 
wurden durch die schweren Enttäuschungen, die Franz 
Josephs Politik sowohl in Paris wie in London hervor¬ 
gerufen hatte, erheblich vermehrt und verschärft empfun¬ 
den. Daran änderte sich auch dadurch nichts, daß Graf 
Buol im Herbst 1855 Österreich schließlich doch zum 
eigentlichen Schiedsrichter zwischen Rußland und den 
Westmächten erhob, indem er im entscheidenden Augen¬ 
blick noch einmal mit einem Ultimatum gegen Rußland 
vorgehend schließlich dessen Zustimmung zu den in 
Wien formulierten Friedensvorschlägen durchsetzte. In¬ 
dem nun Buol hierbei die Rußland auferlegten Friedens¬ 
bedingungen in einigen Punkten nicht unwesentlich er¬ 
schwerte, vor allem Rußland die Abtretung eines großen 
Teiles von Bessarabien an die Donaufürstentümer auf zwang, 
erreichte Franz Joseph schließlich durch seine und seines 
Ministers diplomatische Geschicklichkeit, daß zwar der 
Frieden Europas hergestellt, zugleich aber auch die Ver¬ 
bitterung Rußlands gegen Franz Josephs Treulosigkeit nun¬ 
mehr neuerlich verstärkt wurde und Österreich als der 
eigentliche Schuldige an der tiefen Demütigung hingestellt 
erschien, welche der im März 1856 abgeschlossene Pariser 
Frieden dem Zaren Alexander II. und der russischen Gro߬ 
macht zweifellos zufügte. In der Tat, hier war der im 
Leben übrigens nicht so ganz seltene Fall eingetreten, daß 
derjenige, der im Verfolg seiner eigenen Interessen beiden 
streitenden Parteien seine bons Offices anbietet und beide 
schließlich zu deren Annahme zwingt, am Ende die ein¬ 
ander Bekämpfenden vor allem in der Abneigung gegen 
169
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.