Die digitale Landesbibliothek Oberösterreich

Jahre später in einem Briefe an seinen damaligen Mini¬ 
ster des Äußern, den Grafen Rechberg, nennt — soweit 
entgegenzukommen, wie er es im Jahre 1855 tat. 
Daß Franz Joseph an dem Bündnis vom 2. Dezember 1854 
mit Napoleon III. und Palmerston innerlich keinen An¬ 
stoß nahm, ist psychologisch jedenfalls sehr merkwürdig. 
Es ist dies eben damit zu erklären, daß Franz Joseph wußte, 
es werde doch nicht zu einem gesamt-europäischen Koali¬ 
tionskriege gegen Rußland kommen, und für eine kurze 
Spanne Zeit würde ihm dieses Bündnis den Besitz Italiens 
garantieren. Also auch hier war der unmittelbar hand¬ 
greifliche Erfolg der entscheidende Umstand in den den 
Kaiser erfüllenden Gedankengängen. 
Wie in vielen anderen spannungsreichen Momenten 
seiner Regierung, ist es bei Franz Joseph vor allem eine 
gewisse nervöse Sorge um das Nächstliegende, das Hand¬ 
greifliche, die entscheidet, und es ist die Ungeduld, die, 
oft verbunden mit Zomesausbrüchen, Franz Joseph zum 
Handeln gegen seinen ganz richtigen politischen Instinkt 
veranlaßt hat. Damit ist einer der Grundzüge bloßgelegt, 
der in Franz Josephs so lang währender und vielseitiger 
Regierungstätigkeit immer wieder wirksam und ihm ge¬ 
wöhnlich als Unsicherheit des Urteils, als Schwäche des 
Charakters angelastet wird. Und doch ist es weit weniger 
eine Folge ungenügender Einsicht, als ein Mangel an 
innerer Disziplin, an seelischer Selbstbeherrschung, was 
ihn im entscheidenden Augenblick gegenüber der Fülle 
plötzlich auf ihn eindringender Erscheinungen dazu bringt, 
den unrichtigen Weg selbst gegen sein besseres Empfinden 
einzuschlagen. 
Der entscheidende Fehler, den Franz Joseph beging, 
als er den Bruch mit dem Zaren unvermeidlich werden 
ließ, zog alle weiteren Fehler seiner Bündnispolitik wäh¬ 
rend des Krimkrieges nach sich. Erschien sein Verhalten 
dem Zaren notwendigerweise als ein Treubruch und als 
ein unlösbarer Widerspruch zu der von Franz Joseph seit 
seinem Regierungsantritt befolgten inneren Politik, .auf 
der ja gerade das große Vertrauen und die Freundschaft 
des Zaren zu Franz Joseph erwachsen war, so mußte 
andererseits auch wieder Napoleon die Art und Weise, auf 
die Franz Joseph nach Abschluß des Dezemberbündnisses 
dessen Verwirklichung immer wieder hinauszog, unbedingt 
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