Volltext: Kaiser Franz Joseph von Österreich

Amtes, ein großes altes Reich inmitten Europas zu er¬ 
halten, durch letzthin nur von seinem persönlichen Urteil 
über Menschen und Dinge abhängige Entscheidung die 
innere und äußere Politik dieses Reiches zu gestalten, 
haben ihn zu dem gemacht, als der er den Menschen 
seiner Zeit erschien und in der Erinnerung derer, die ihn 
kannten, fortlebt. 
In dem Gesagten liegt—dies möchte schon hier vorweg¬ 
nehmend gesagt werden — der ganz besonders eigenartige 
Grundzug in dem Lebensbilde Eranz Josephs. Es war sein 
Schicksal, daß er kaum ins handlungsfähige Alter ein¬ 
getreten dazu berufen war, als Selbstherrscher seine 
eigenste, durch die unerschütterliche Tradition der Vor¬ 
fahren und durch die ihm zuteil gewordene Erziehung 
vorbestimmte Denkweise in tiefstem Gegensatz zu emp¬ 
finden gegen fast alle großen Kräfte und Bewegungen des 
Europa seiner Zeit. Als siegreicher Überwinder der Revo¬ 
lutionen, die im Jahre 1848 das Reich der Habsburger bis 
in die Grundfesten erschüttert hatten, trat der Jüngling 
sein kaiserliches Amt an: durch fast sieben Jahrzehnte 
hat er immer wieder bald in diesem, bald in jenem Teile 
des Gesamtbereichs seiner Herrschaft den Gegensatz 
seiner innersten Überzeugungen und seiner hiervon be¬ 
stimmten politischen Richtung zu den politischen Zielen 
und Ideen der Zeit aufs stärkste empfunden, und immer 
wieder hat er diesen Gegensatz überwinden zu müssen als 
seine eigene höchste Pflicht erkannt und erfüllt um der 
einzigen unabänderlich vor ihm stehenden Aufgabe willen 
— um der Erhaltung des ihm vererbten Reiches. Diese 
Überwindung vollzog sich, immer wieder durch zeitweilige 
Kompromisse oft mühsam genug erreicht, zumeist nur von 
Schritt zu Schritt, manchmal in überraschend schnellem 
Fortgang. Ihm blieb versagt, seinen unerschütterlichen 
Leitgedanken von seiner Pflicht zur unantastbaren Erhal¬ 
tung des Reiches dadurch dauernd zu verwirklichen, daß 
er aus der modernen politischen Ideenwelt schöpfend die 
alte habsburgische Konzeption des westöstlichen Völker¬ 
reiches neu zu beleben vermocht hätte. Aber Kaiser Franz 
Joseph ist immerhin stark genug gewesen, um sowohl sich 
wie seinen Völkern von Fall zu Fall Kompromisse aufzuer¬ 
legen, welche zwar nur als kurzfristige Aushilfe einer Re¬ 
gierungskunst gewertet werden konnten, die nur gerade 
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