der Großfürstin Olga, mit dem österreichischen Erzherzog
Stephan ihm durch den Wiener Hof (natürlich aus religi¬
ösen Gründen) zunichte gemacht wurde. So dürfte auch der
Zar in Wien nicht selten Anstoß gegeben haben, wie das
schon bei der gesteigerten Empfindlichkeit der Mitglieder
der alten Dynastien im Verkehr untereinander kaum ver¬
meidlich war. Daß Franz Joseph schließlich diesen Fes¬
seln der Dankbarkeit, die ihm sozusagen vor der ganzen
Welt von seiten Rußlands auf er legt worden waren, inner¬
lich widerstrebte, ist bei dem zwanzigjährigen jungen
Herrn mit seinem militärischen und dynastischen Selbst¬
gefühl leicht zu begreifen. Im übrigen mag er vom Fürsten
Schwarzenberg oft genug gehört haben, daß es in der euro¬
päischen Politik niemals Dankbarkeit zwischen Völkern
und deren Herrschern gegeben habe, noch jemals geben
werde. Daß er die Besetzung der Donaufürstentümer als
Verletzung eines Lebensinteresses der österreichischen
Monarchie anzusehen schnell lernte, ist nicht verwunder¬
lich. War doch das Schlagwort von den Handelsinteressen
Österreichs im nahen Osten gerade jetzt erst zu voller
Kraft gekommen! Übrigens hatte gerade in den dreißiger
und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts der österreichi¬
sche, aber auch der süddeutsche Handel mit der Levante
und der Türkei sowohl über die untere Donau als auch von
Triest auf dem Seeweg sich ansehnlich gehoben. Wie ein¬
dringlich hatte Friedrich List in Wien und Ofen-Pest in
seinen denkwürdigen Vorträgen die volle Bedeutung des
Wirtschaftsverkehrs mit dem Südosten verstehen gelehrt!
In der süddeutschen Publizistik dieser Jahre finden sich
Beweise genug dafür, daß man die östlichen Nachbar¬
gebiete Österreichs als Vermittlung für den Handel mit
dem ganzen Türkischen Reiche für die Zukunft sehr hoch
veranschlagte. Daß nun Franz Joseph den Zaren hindern
wollte, die Donaufürstentümer und die untere Donau für
Rußland zu annektieren, war selbstverständlich Pflicht der
österreichischen Politik. Das war ganz richtig gedacht und
wohlbegründet. Sein großer Fehler war nur, daß er, von den
Plänen des Zaren in Wahrheit schon unterrichtet, sowohl
in seiner Korrespondenz mit dem Zaren als in der Aktion
seines Kabinetts so tat, als verstünde er die wirklichen
Absichten des Zaren nicht, daß er daher nicht von vorn¬
herein dem Zaren klarmachte, er werde ihn mit aller
11 Redlich, Kaiser Franz Joseph
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