Volltext: Bis Ende Juni 1915 ([1] ; 1915)

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Die Teilnovelle enthält zunächst eine dem gegenwärtigen Stande des 
Nachrichtendienstes entsprechende Kürzung der Fristen für die Todeserklärung 
und regelt eingehender die Fälle der Verschollenheit im Kriege und zur See. 
Sie verbessert ferner — im Interesse des Gemeinwohls — die rechtliche 
Stellung der Frauen: Die noch bestehende überholte Ausschließung der Frauen 
von der Zeugenschaft bei gewissen Beurkundungen und Rechtsgeschäften wird 
beseitigt, die Frauen werden in viel weiterem Umfange als bisher zur 
Führung der Vormundschaft zugelassen, die Stellung der Mutter in der 
Familie und der Witwe im Falle des Erbganges wird in mancher Beziehung 
günstiger gestaltet. Hauptsächlich ist aber die Teilnovelle der Weiterentwicklung 
und Verbesserung des Vormundschaftsrechtes gewidmet. 
Infolge des Krieges hat dieser Teil des Privatrechtes noch größere 
allgenleine Bedeutung erlangt als sonst. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben, 
trotz der durch den Krieg gerissenen Lücken die Pflege und Erziehung der 
Nachkommenschaft zu sichern. Die Teilnovelle schafft auch die privatrechtliche 
Grundlage für manche Einrichtungen, die zu diesen: Zwecke im letzten Jahr¬ 
zehnt von öffentlichen Körperschaften und von der gesellschaftlichen Jugend¬ 
fürsorge geschaffen wurden und die jetzt im Hinblicke auf die neuen großen 
Aufgaben der Ausbreitung und Stärkung bedürfen. 
Von diesem Gesichtspunkte aus sind die Bestimmungen der Teilnovelle zu 
betrachten, die die Rechtsstellung des unehelichen Kindes verbessern, insbesondere 
die Namensverleihung durch den Ehemann der Mutter, die rechtzeitige Sicher¬ 
stellung der Kosten der Entbindung und des ersten Unterhaltes für Mutter 
und Kind durch den außerehelichen Vater, die Begünstigung des im Hause 
des Vaters erzogenen unehelichen Kindes nach dem Tode des Vaters, die 
Erleichterung der Annahme an Kindesstatt, schließlich die Aufnahme des un¬ 
ehelichen Kindes in die mütterliche Familie unter Verleihung des vollen 
Erbrechtes in dieser Familie. Der Erleichterung und Verbesserung des Pfleg¬ 
schaftsschutzes dienen ferner die Heranziehung der Frauen zur Vormundschaft 
auch über fremde Kinder, die Einschränkung der Mitvormundschaft, die gesetz¬ 
liche Regelung der amtlichen und die Ausdehnung der Anstaltsvormundschaft, 
schließlich die gesetzliche Einführung der Vormundschaftsräte. 
Auch die bereits vorbereitete zeitgemäße Änderung der gesetzlichen Erb¬ 
folgeordnung konnte im Hinblick auf die sehr häufigen Anwendungsfälle, die 
sich jetzt ergeben, nicht länger hinausgeschoben werden. Die Änderungen lassen 
sich dahin zusammenfassen, daß die nahezu unbegrenzte Erbfolge der Seiten¬ 
verwandten auf die näheren Linien beschränkt und daß der Umfang des Erb¬ 
rechtes der Verwandten, insbesondere der entfernteren zu Gunsten des über¬ 
lebenden Ehegatten eingeschränkt wurde. 
Verfahren in bürgerlichen Nechksangelegenheiken. 
Ausnahmsbestimmungen auf Z» dcn Maßnahmen, die aus Anlaß des Krieges getroffen werden 
dem Gebiete des Verfahrens mußten, gehört auch eine Vorsorge auf dem Gebiete des zivilgerichtlichen 
in bürgerlichen Rechtsange- Verfahrens, damit die zum Kriegsdienst herangezogenen Personen, während sie 
legenheiten für Kriegsteil- ffjte Dienste dem Vaterlande weihen und persönlich ihre Rechte nicht wahr- 
ms)mei' nehmen können, nicht Rechtsverlusten ausgesetzt sind. Allerdings ordnet schon
	        
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