Die Polnische Regierung verhält sich diesen Vorgängen
gegenüber reichlich reserviert; jedenfalls sind Anzeichen für
eine energischere Gegenwirkung nicht vorhanden. Es mag
zugegeben werden, daß die polnischen Behörden in ihren
Einflußmöglichkeiten auf die Presse beschränkt sind, aber eine
so weitgehende Passivität kann doch wohl nur dadurch erklärt
werden, daß die Regierung sich scheut, ihre Machtmittel zum
Schutz der unpopulären deutschen Belange einzusetzen,
während sie für ihre eigenen Interessen eine weit größere
Energie aufbringt. Und daß man z. B. nicht in der Lage sein
sollte, die wiederholten aufreizenden Demonstrationen in den
Städten der Westgebiete, die von dem der Regierung nahe¬
stehenden Westmarkenverband in Szene gesetzt werden, zu
verhindern, scheint wenig glaubwürdig.
Es kann der Regierung nicht verborgen sein, daß diese
passive Haltung allmählich eine Atmosphäre entstehen läßt,
die mit der deutsch-polnischen Verständigungspolitik immer
schwerer in Einklang zu bringen ist. Freilich hat man hier
Deutschland gegenüber niemals sehr herzliche Töne an¬
geschlagen, und namentlich in kritischen Momenten wurde
von jeher Wert darauf gelegt, die Beziehungen nicht zu eng
erscheinen zu lassen. Aber daß jetzt z. B. vor einem deutschen
Generalkonsulat ungehindert der Haßgesang des „Rota“-
Liedes ertönen konnte, ist doch immerhin ein Vorgang, der
seit 1934 nicht mehr zu beobachten war. Es ist offensichtlich,
daß die Becksche Politik heute noch weniger populär ist als
früher und daß der Außenminister selbst sich Zurückhaltung
auferlegen muß. Wir haben ja in dem bekannten Fall des
deutschen Gymnasiums in Bromberg, wo ganz offenbar das
mit Beck abgeschlossene gentlemen-agreement von seiten der
inneren Verwaltung sabotiert worden ist, ein deutliches
Anzeichen für die inneren Spannungen gehabt, die hier vor¬
handen sind. Und in der Tat scheint in der Regierung gerade
hinsichtlich der Deutschlandpolitik Becks eine nicht ganz
einheitliche Beurteilung vorzuliegen. Jedenfalls ist mit Wahr-
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