Volltext: Lauriacum

Lauriacum. 
Grabungen in Enns im Jahre 1936. 
Dank der Verhandlungen, die zwischen 
dem Österreichischen Archäologischen Institut 
und dem Oberösterreichischen Museal-Verein, 
Linz, geführt wurden, konnte im Vorjahr eine 
der brennendsten Fragen am norischen Donau¬ 
limes, die Erforschung seiner frühchristlichen 
Denkmäler, erstmalig in Angriff genommen 
werden. An welchem Punkte mit spätrömischer 
Vergangenheit die Arbeit einsetzen sollte, dar¬ 
über konnten kaum Zweifel entstehen. Liest 
man doch in Eugipps v. Severini c. 28 gelegent¬ 
lich der bekannten Erzählung vom Ölwunder, 
daß Severin in Lauriacum quadam die cúnelos 
pauperes in una basílica slaluil congregad, 
eine Wendung also, die in ihrer bestimmten, 
auf das oppidum Lauriacum beschränkten For¬ 
mulierung um die Mitte des 5. Jahrhunderts 
dort mindestens zwei christliche Kirchen vor¬ 
aussetzt. Standen demnach die Aussichten auf 
eine befriedigende Lösung der Antwort hei¬ 
schenden Frage in Lauriacum von vornherein 
ungleich günstiger als an irgendeinem anderen 
Punkte des norischen Limes, so kam für die 
Wahl des Grabungsplatzes noch ein zweites 
bestimmendes hinzu. Die Parzelle 1058 der 
Katastralgemeinde Lorch trägt den Flurnamen 
Maria Anger, und eine Maria-Anger-Kirche 
wurde nach 1792 auf Grund einer Verfügung 
Josefs II. gesperrt und abgetragen 1). Was lag 
also näher, als den einstigen Standort dieser 
Maria-Anger-Kirche auf der Flur Maria Anger 
zu vermuten? Zur Gewißheit mußte sich diese 
Annahme verdichten und der Bereich, inner¬ 
halb dessen die Suche nach ihren Fundamenten 
aufzunehmen war, verengen, wenn man in 
Betracht zog, daß an dem Wirtschaftshof 
Zeiser auf eben dieser Parzelle der Name Pfarr- 
1) Kaiserl. Verordnung vom 24. I. 1784 und 
9. XII. 1785 (Handbuch aller unter der Regierung 
Josefs II. ergangenen Verordnungen VIII 1787 
637; X 1788 854). Ich entnehme diese Daten 
einem vom Oberösterr. Landesarchiv, Linz, an den 
hof, bzw. Beneficiatenhaus haftet und ein un¬ 
mittelbar benachbartes Gebäude heute noch 
Mesner-Stöckl heißt und in seinem Unterbau 
ein gotisches Profil trägt. 
Mit diesen Überlegungen war der Kreis 
um den Platz der Maria-Anger-Kirche ge¬ 
schlossen und zugleich die Stelle bezeichnet, 
an welcher der Spaten einzusetzen haben 
werde. Denn die Erfahrung hatte schon des 
öfteren die Aufeinanderfolge christlicher Bau¬ 
ten aus verschiedenen Jahrhunderten an ein 
und demselben Punkte gelehrt. Sich von dieser 
Tatsache auch in Lauriacum leiten zu lassen, 
war umsomehr berechtigt, als die Maria-Anger- 
Kirche — das zeigte die Übertragung ihres 
vermuteten Standortes in den Lagerplan — 
innerhalb des Lagers, unweit des Praetoriums, 
gestanden hatte, und ihre erste Erwähnung 
nach Oberösterr. Urkunden-Buch (im folgen¬ 
den OUB) II LXXIX S. 107 bereits in das 
Jahr 1075 fällt. Bei einigem Glück mußte sich 
demnach im Boden eine ununterbrochene Tra¬ 
dition feststellen lassen und der Nachweis 
gelingen, daß die erste Kirche des Mittelalters 
sowie die ihr folgende der Neuzeit auf dem 
Areal der frühchristlichen gebaut war 2). So 
begann denn auf Parz. 1058, in einem Obst¬ 
garten zwischen Zeiserhof und Mesner-Stöckl, 
die Grabung, die nach achtwöchiger Dauer 
mit der Freilegung römischer, frühchristlicher, 
romanischer und gotischer Baureste schloß. 
Bevor ich den Bericht der Öffentlichkeit 
übergebe, möchte ich auch an dieser Stelle dem 
Gefühl der Dankbarkeit Ausdruck geben für 
die mannigfache Unterstützung, die mir seitens 
der Herren des Oberösterreichischen Museal- 
Vereines, vor allem seines Präsidenten, des 
Museal-Verein, Enns, gerichteten Schreiben vom 
3. VIII. 1936. 
2) Diese Vermutung wurde schon von Pius 
Schneider, Lorch und Enns, Mus. Jhr. Ber. XXX 
1871 37 geäußert.
	        
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