Volltext: Lauriacum

30i 
Lauriacum 
302 
jedoch, abgesehen von einer einzigen Aus¬ 
nahme, die vermutlich der Mitte des 4. Jahr¬ 
hunderts angehört, bisher überhaupt fehlen. 
Angesichts dieser Sachlage wird man am nori¬ 
schen Limes Kirchen als selbständige Gebäude 
erst im 4. Jahrhundert voraussetzen dürfen, wo¬ 
bei das J. 313, in dem die Kirche als staats¬ 
rechtlich anerkanntes und mit besonderen Pri¬ 
vilegien bedachtes corpus Christianorum die 
weltliche Bühne betrat, den terminus post quem 
bezeichnet68). Von diesem Zeitpunkt an ist 
auch im municipium Lauriacum die Möglich¬ 
keit eines Nebeneinander von heidnischen Kult¬ 
stätten und christlichen Kirchen, sowie einer 
Kapelle über dem Grab des hl. Florian ge¬ 
geben. Trotzdem scheint es aber richtiger, Kir¬ 
chenbauten in Stadt-Lauriacum erst unter 
Constantius entstanden zu denken; denn jetzt 
erst trat der starken inneren Resonanz, mit 
der die neue Lehre überall in den Jahrzehn¬ 
ten nach den Mailänder Beschlüssen aufge¬ 
nommen wurde, die Gesetzgebung des Kai¬ 
sers zur Seite, die im schroffsten Gegensatz 
zu aller bisherigen Tradition im J. 341 jedes 
Opfer verbot und die Schließung der Tempel 
befahl (Cod. Theod. XVI 10, 2), wenige Jahre 
später sogar heidnische Opfer unter Todes¬ 
strafe und Vermögensentzug stellte (Cod. Theod. 
Pilgrim v. Passau, S. 171 ff. u. K. Uhlirz, Die Ur¬ 
kundenfälschungen zu Passau im 10. Jahrhundert, 
Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch. III S. 177 ff.). Zur 
diocl. Verfolgung vgl. Seeck, Untergang III S. 302 ff.; 
K. Stade, Der Politiker Diocletian u. d. letzte große 
Christenverfolgung, 1926, S. 157 ff. Zur Inschrift 
CIL III 13529, die einer Frau Ursa, chrestiana fide, 
gesetzt ist, vgl. Kenner, Mitt. d. Zentr. Komm. N. F. 
XX 1894, S. 103 ff. Das bisher älteste christl. Denk¬ 
mal Noricums, frühestens 4. Jahrh., ist die Sarko¬ 
phagplatte vom Zollfeld (Egger, Führer d. Klagen- 
furt, 1921, S. 32). 
68) Der Text des Mailänder Edikts ist erhalten 
bei Lact, de mort. persec. 48 und Euseb. h. e. X 5, 
2—14. Vgl. hiezu J. Wittig, Das Toleranzrescript 
v. Mailand 313, bei Dölger, Konst, d. Gr. u. seine 
Zeit, 1913, S. 40 ff.; R. Laqueur, Die beiden Fassun¬ 
gen d. sog. Toleranzedikts v. Mailand, ’ETUTÖpßiov f. 
H. Swoboda, 1927, S. 132 ff. Im Reichsteil des Con- 
stantius, der einem synkretistischen Monotheismus 
huldigte und daher den Christen geneigt gewesen war 
XVI 10, 4 v. J. 346 (?); vgl. auch Amm. Marc. 
XVI 8, 2)69). 
Können wir also um die Mitte des 4. Jahr¬ 
hunderts Kirchen im municipium Lauriacum 
annehmen und um Florians Grab einen christ¬ 
lichen Friedhof voraussetzen, so verschiebt 
sich für die Basilika im castrum der Zeit¬ 
punkt, von dem an die Adaptierung des 
Korridors erst möglich wird, in die Jahre 
nach Valentinian, da mit seinem Tode (375) 
zugleich die großzügigen Aufbauarbeiten am 
Limes ihr Ende gefunden haben. Ungewiß 
bleibt allerdings, ob die neugefundene Kirche 
auch die älteste im Bereiche des Lagers dar¬ 
stellt; denn seit sich das Reich im 5. Jahrhun¬ 
dert seinem Ende zuneigt, der Sold schon in den 
ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts aus¬ 
bleibt, das Lager die Bevölkerung der zivilen 
Ansiedlung in sich aufnimmt, und Lager und 
Stadt in eins verschmolzen waren, spielte sich 
alles religiöse Leben in der zur Stadt geworde¬ 
nen Festung ab. Die Kirchen außerhalb des 
schützenden Mauerrings verfallen oder werden 
in dem an dramatischen Ereignissen so reichen 
Saeculum von den Germanen zerstört (vgl. v. 
Sev. XXII. XLIV). Bischofskirche, Consignato- 
rium und Baptisterium, das lehrt uns die v. 
Severini, übersiedeln jetzt aus der Zivilstadt in 
(panegyrisch Euseb. h. e. VIII 13, 12 ff. ; vit. Const. 
I 13 ff.), scheint es bereits gegen Ende des 3. Jahr¬ 
hunderts zu einzelnen Kirchenbauten gekommen zu 
sein (Lact, de mort. persec. XV nam Constantius, ne 
dissentire a maiorum praeceptis videretur conventi¬ 
cula i. e. parietes, qui restitui poterant, passus est) ; 
für Nor. rip., das unter der Herrschaft des entschieden 
christenfeindlichen Galerius stand, traf dies kaum zu. 
69) Zu den Kämpfen zwischen Heidentum und 
Christentum vgl. Geffcken, Ausgang d. Heiden¬ 
tums, S. 178 ff.; S. Dill, Rom. society in the last 
Century of the Western Empire, 1921, S. 227 ff. 
Für Nor. rip. ist von Interesse, daß wegen des 
Heiden Generidus, der 409 zum magister militum 
des occidentalen Illyricum ernannt worden war, 
das Gesetz rückgängig gemacht werden mußte, 
welches Heiden von der Bekleidung der Staatsämter 
ausschloß (Cod. Theod. XVI 5, 51), und daß noch 
Severin in Cucullae heidnische Opfer und Gebräuche 
vorfand (v. Sev. XI 2).
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.