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Lauriacum
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jedoch, abgesehen von einer einzigen Aus¬
nahme, die vermutlich der Mitte des 4. Jahr¬
hunderts angehört, bisher überhaupt fehlen.
Angesichts dieser Sachlage wird man am nori¬
schen Limes Kirchen als selbständige Gebäude
erst im 4. Jahrhundert voraussetzen dürfen, wo¬
bei das J. 313, in dem die Kirche als staats¬
rechtlich anerkanntes und mit besonderen Pri¬
vilegien bedachtes corpus Christianorum die
weltliche Bühne betrat, den terminus post quem
bezeichnet68). Von diesem Zeitpunkt an ist
auch im municipium Lauriacum die Möglich¬
keit eines Nebeneinander von heidnischen Kult¬
stätten und christlichen Kirchen, sowie einer
Kapelle über dem Grab des hl. Florian ge¬
geben. Trotzdem scheint es aber richtiger, Kir¬
chenbauten in Stadt-Lauriacum erst unter
Constantius entstanden zu denken; denn jetzt
erst trat der starken inneren Resonanz, mit
der die neue Lehre überall in den Jahrzehn¬
ten nach den Mailänder Beschlüssen aufge¬
nommen wurde, die Gesetzgebung des Kai¬
sers zur Seite, die im schroffsten Gegensatz
zu aller bisherigen Tradition im J. 341 jedes
Opfer verbot und die Schließung der Tempel
befahl (Cod. Theod. XVI 10, 2), wenige Jahre
später sogar heidnische Opfer unter Todes¬
strafe und Vermögensentzug stellte (Cod. Theod.
Pilgrim v. Passau, S. 171 ff. u. K. Uhlirz, Die Ur¬
kundenfälschungen zu Passau im 10. Jahrhundert,
Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch. III S. 177 ff.). Zur
diocl. Verfolgung vgl. Seeck, Untergang III S. 302 ff.;
K. Stade, Der Politiker Diocletian u. d. letzte große
Christenverfolgung, 1926, S. 157 ff. Zur Inschrift
CIL III 13529, die einer Frau Ursa, chrestiana fide,
gesetzt ist, vgl. Kenner, Mitt. d. Zentr. Komm. N. F.
XX 1894, S. 103 ff. Das bisher älteste christl. Denk¬
mal Noricums, frühestens 4. Jahrh., ist die Sarko¬
phagplatte vom Zollfeld (Egger, Führer d. Klagen-
furt, 1921, S. 32).
68) Der Text des Mailänder Edikts ist erhalten
bei Lact, de mort. persec. 48 und Euseb. h. e. X 5,
2—14. Vgl. hiezu J. Wittig, Das Toleranzrescript
v. Mailand 313, bei Dölger, Konst, d. Gr. u. seine
Zeit, 1913, S. 40 ff.; R. Laqueur, Die beiden Fassun¬
gen d. sog. Toleranzedikts v. Mailand, ’ETUTÖpßiov f.
H. Swoboda, 1927, S. 132 ff. Im Reichsteil des Con-
stantius, der einem synkretistischen Monotheismus
huldigte und daher den Christen geneigt gewesen war
XVI 10, 4 v. J. 346 (?); vgl. auch Amm. Marc.
XVI 8, 2)69).
Können wir also um die Mitte des 4. Jahr¬
hunderts Kirchen im municipium Lauriacum
annehmen und um Florians Grab einen christ¬
lichen Friedhof voraussetzen, so verschiebt
sich für die Basilika im castrum der Zeit¬
punkt, von dem an die Adaptierung des
Korridors erst möglich wird, in die Jahre
nach Valentinian, da mit seinem Tode (375)
zugleich die großzügigen Aufbauarbeiten am
Limes ihr Ende gefunden haben. Ungewiß
bleibt allerdings, ob die neugefundene Kirche
auch die älteste im Bereiche des Lagers dar¬
stellt; denn seit sich das Reich im 5. Jahrhun¬
dert seinem Ende zuneigt, der Sold schon in den
ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts aus¬
bleibt, das Lager die Bevölkerung der zivilen
Ansiedlung in sich aufnimmt, und Lager und
Stadt in eins verschmolzen waren, spielte sich
alles religiöse Leben in der zur Stadt geworde¬
nen Festung ab. Die Kirchen außerhalb des
schützenden Mauerrings verfallen oder werden
in dem an dramatischen Ereignissen so reichen
Saeculum von den Germanen zerstört (vgl. v.
Sev. XXII. XLIV). Bischofskirche, Consignato-
rium und Baptisterium, das lehrt uns die v.
Severini, übersiedeln jetzt aus der Zivilstadt in
(panegyrisch Euseb. h. e. VIII 13, 12 ff. ; vit. Const.
I 13 ff.), scheint es bereits gegen Ende des 3. Jahr¬
hunderts zu einzelnen Kirchenbauten gekommen zu
sein (Lact, de mort. persec. XV nam Constantius, ne
dissentire a maiorum praeceptis videretur conventi¬
cula i. e. parietes, qui restitui poterant, passus est) ;
für Nor. rip., das unter der Herrschaft des entschieden
christenfeindlichen Galerius stand, traf dies kaum zu.
69) Zu den Kämpfen zwischen Heidentum und
Christentum vgl. Geffcken, Ausgang d. Heiden¬
tums, S. 178 ff.; S. Dill, Rom. society in the last
Century of the Western Empire, 1921, S. 227 ff.
Für Nor. rip. ist von Interesse, daß wegen des
Heiden Generidus, der 409 zum magister militum
des occidentalen Illyricum ernannt worden war,
das Gesetz rückgängig gemacht werden mußte,
welches Heiden von der Bekleidung der Staatsämter
ausschloß (Cod. Theod. XVI 5, 51), und daß noch
Severin in Cucullae heidnische Opfer und Gebräuche
vorfand (v. Sev. XI 2).