Volltext: Conrad von Hötzendorf

VOM MUT DER NATURVÖLKER 
Prinzip „II faut payer de sa personne“ das eigene Beispiel vor¬ 
anstellte. In Gesellschaft des Divisionärs und seines General¬ 
stabschefs, des Hauptmannes Franz Siglitz, den Conrad als einen 
entschlossenen, tapferen, scharfen, wenn nötig rücksichtslosen 
Mann sehr verehrte, fuhr er am 28. Jänner nach Castelnuovo. 
Kaum angekommen, füllte er im Fort Spagnol sein Notizbuch 
mit Bemerkungen zur militärischen Lage und übte Kritik an 
dem bisherigen defensiven und passiven Verhalten, das die In¬ 
surgenten übermütig gemacht hatte. Es war schwer, sich über 
ihre Zahl klar zu werden, denn sie erhielten unausgesetzt Zu¬ 
zug aus der Herzegowina und wußten sich außerdem durch die 
Flucht auf montenegrinisches Gebiet der Verfolgung zu entziehen. 
Sehr treffend charakterisiert Conrad deren völlig mit Unrecht 
zur Legende gesteigerte Tapferkeit. „Ihr Mut, so sehr er auch 
zu Akten verwegenster Tapferkeit führte und sich bis zur Mord¬ 
lust und Grausamkeit steigerte, schlug oft auch in das Gegen¬ 
teil um und wurde selbst zu einem vorsichtigen, feigen Fliehen 
vor der Gefahr. Es fehlte ihm jene sittliche Stärke, die auf das 
Pflicht- und Ehrgefühl, auf jene innere Würde begründet ist, 
die den Kulturmenschen auszeichnet und seinen Mut zu einem 
weit nachhaltigeren, verläßlicheren und höherstehenden gestaltet. 
Während der Mut des Kulturmenschen mit der Schonung des 
wehrlosen Feindes verknüpft ist, flackert der Mut dieser ur¬ 
wüchsigen Naturvölker ganz besonders dann auf, wenn sie sich 
einer Minderzahl oder gar einem wehrlosen Feinde gegenüber 
sehen, und steigert sich zu ungemessener Grausamkeit gegen den 
bezwungenen Gegner.“ 
Der Revolver, den die österreichisch-ungarischen Offiziere 
trugen, war ebenso für den Feind wie für sie selbst bestimmt, 
falls es darauf ankam, sich durch eine Kugel den Bestialitäten 
zu entziehen. Aus den nämlichen Gründen trugen viele Offiziere 
auch Gift bei sich* 
* Den Unterschied zwischen persönlichem Mut, der den Kultur¬ 
menschen auszeichnet, und jenem der Gebirgsvölker des Balkans 
haben auch die Reformoffiziere der türkischen Gendarmerie wieder¬ 
holt feststellen können. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben war es, 
die bestialische Niedermetzelung der in den Bandenkämpfen be¬ 
siegten Gegner zu verhindern. Hinter der vielgepriesenen Romantik 
des Räubertums steckte vielfach nur die „Tapferkeit“ gegen den 
Wehrlosen. 
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