Volltext: Conrad von Hötzendorf

EIN KRONZEUGE ZUR KRIEGSSCHULDFRAGE 
gungen aus dem Innern Sibiriens nach der russischen West¬ 
grenze begannen. Graf Cartagena stellte anläßlich einer Reise 
anfangs Juli 1914 in der Gegend von Kowno russische Truppen¬ 
transporte und die Anlage von Befestigungen großen Stils fest. 
Seinen Aufzeichnungen kann man außerdem entnehmen, welcher 
Druck von der Entente auf Spanien ausgeübt wurde, um es zur 
Aufgabe seiner Neutralität zu bewegen. Graf Cartagena be¬ 
stätigt auch den vielkolportierten Ausspruch Iswolskis etwa drei 
Monate vor Kriegsausbruch: „Dieser ist mein Krieg!“ 
Zum Besuch Poincares schreibt der spanische Diplomat: „Er 
war gekommen, um den Krieg vorzubereiten.“ Er bestätigt auch, 
was Paleologue in seinen Memoiren über das Auftreten des Prä¬ 
sidenten am Zarenhof begeistert schreibt, sowie den Widerhall, 
den die von Kriegslust flammenden Worte Poincares bei den 
zwei „montenegrinischen“ Großfürstinnen — eine davon die Ge¬ 
mahlin des Großfürsten Nikolaus Nikolajewitsch — gefunden 
hatten. Schwer belastend sind die absichtlich falschen Informa¬ 
tionen russischer Amtspersonen an die deutschen Diplomaten, 
die vermittelnd in den austro-serbischen Konflikt eingreifen 
wollten. Zur selben Stunde, als sowohl der Kriegsminister 
Suchomlinow wie der Chef des Generalstabes Januschkiewitsch 
dem deutschen Militärattache ehrenwörtlich versicherten, daß 
keinerlei Mobilisierung im Gange sei, erfuhr Graf Cartagena 
durch Paleologue, daß dreizehn russische Armeekorps auf den 
Kriegsfuß versetzt worden seien. Am 25. Juli, an dem das öster¬ 
reichisch-ungarische Ultimatum an Serbien ablief, eröffn ete Su¬ 
chomlinow dem spanischen Botschafter in einer Abendgesell¬ 
schaft, daß der Krieg unvermeidlich sei, weil Rußland Serbien 
nicht im Stiche lassen werde. Dieselbe Entschlossenheit zum 
Kriege konnte Cartagena in den folgenden Tagen an den „künst¬ 
lich organisierten Volkskundgebungen“ wahrnehmen. 
Die Aufzeichnungen dieses Diplomaten gipfeln in der Fest¬ 
stellung, daß die Verantwortung für den Krieg auf Rußland 
zurückfalle und daß der Fürstenmord von Sarajevo, „von den 
Serben unter Mitschuld der Regierung und der »Schwarzen Hand4 
ausgeführt, in Belgrad mit Hilfe russischer Agenten angestiftet 
wurde...“ „Der Krieg war gewollt!“ schreibt er, „und hatte 
russischerseits die Zerstückelung Österreich-Ungarns, die poli¬ 
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