Volltext: Conrad von Hötzendorf

POINCARE — IS WO LS KI 
Zur Kriegsschuldfrage 
Das Verhalten Conrads regt unwillkürlich zum Vergleich an, 
wie andere verantwortliche Staatsmänner gehandelt haben. Aus 
der Reihe dieser Männer ragt einer hervor, dessen Einfluß ver¬ 
hängnisvoll für die ganze Welt geworden ist: Raymond Poincare. 
Der in Bar-le-Duc geborene Lothringer war als zehnjähriger 
Knabe Zeuge deutscher Einquartierung im Elternhaus gewesen; 
er mußte es mit ansehen, daß die verhaßten „Boches“ sein Va¬ 
terland überschwemmten. Diese Jugenderinnerungen an den 
Krieg und den demütigenden Frieden gebaren in Poincare den 
Drang nach „Revanche“, der zum Leitstern seines Lebens wurde. 
Nach einer erfolgreichen, früh begonnenen parlamentarischen 
Laufbahn — er wurde mit 33 Jahren Unterrichtsminister — er¬ 
folgte Poincares Berufung zum Ministerpräsidenten und 1913 
die Wahl zum Präsidenten der Republik. In dieser Stellung be¬ 
gnügte er sich nicht mit der Rolle eines über den Parteien 
stehenden Repräsentanten der Staatsgewalt, sondern leitete auch 
weiter die Außenpolitik Frankreichs im Sinne seines eigenen 
politischen Programms. Er setzte die auf Einkreisung der Mittel¬ 
mächte hinzielenden engen Beziehungen mit dem russischen Bot¬ 
schafter Jswolski, die er als Ministerpräsident aufgenommen 
hatte, auch als Präsident fort. Der durch seine diplomatische 
Schlappe in der Annexionsfrage in seinem Ehrgeiz schwer ge¬ 
troffene Iswolski war ein willkommener Bundesgenosse. Völlig 
eindeutig hat sich Poincares Kriegswille anläßlich seines Be¬ 
suches im Juli 1914 in St. Petersburg dokumentiert. Vier Wochen 
nach der Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronerben, 
zu einer Zeit, da die ganze Welt in atemloser Spannung der Ent¬ 
wicklung der Dinge harrte, das Gespenst des Krieges nicht allein 
durch die Staatskanzleien ging, sondern auch die Herzen von 
Müttern, Frauen und Kindern in banger Sorge hielt und es die 
heiligste Pflicht jedes Menschen in verantwortlicher Stellung ge¬ 
wesen wäre, vermittelnd, schlichtend, beruhigend zu wirken — 
da brachte der Schlachtkreuzer „France“ das Oberhaupt der Fran¬ 
zösischen Republik mit betont militärischer Aufmachung nach der 
Hauptstadt Rußlands, um den für den Kriegsfall getroffenen Ver¬ 
einbarungen die Sanktion <lurch die Staatsoberhäupter zu geben. 
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