Volltext: Conrad von Hötzendorf

SERBISCHE ANSCHLÄGE 
Conrad Bedenken gegen die Reise aus: er war sich der unab¬ 
sehbaren Folgen eines Anschlages voll bewußt. Politische Morde 
waren auf dem Balkan nichts Neues, wenn es galt, nationalen 
Bestrebungen Nachdruck zu verleihen; sie haben ihre Opfer auch 
unter den gesalbten Häuptern der eigenen Herrscher gefunden. 
Banden als Exponenten der serbisch-nationalen Regierungspoli¬ 
tik haben auch in Mazedonien ihr Unwesen getrieben. 
Als nach der jungtürkischen Revolution im Sommer 1908 
die Banden dort zeitweilig abrüsteten, zeigten sie in Üsküb 
mit dem Stolz der Briganten ihre aus staatlichen Magazinen 
stammenden Gewehre, Revolver, Bomben und Ausrüstungsgegen¬ 
stände, und es bedurfte nicht erst des zungenlösenden Alkohols, 
um sie zur Nennung der Offiziere zu bewegen, die sie in ihrem 
sauberen Handwerk unterrichtet hatten. 
An der Spitze der Nachrichtenabteilung des serbischen Gene¬ 
ralstabes, die die Führung der antiösterreichischen Agitation 
übernommen hatte, stand der Oberst Dimitrievic, genannt „Apis“. 
Seine rechte Hand war der berüchtigte Major Tankosic, der 
ehemalige Bandeninstruktor in Vranje, der die gedungenen Mör¬ 
der im Gebrauch der Mordwaffen zu instruieren hatte. Schon 
vor dem Fürstenmord von Sarajevo hat die von Dimitrievic ge¬ 
leitete politische Organisation Anschläge gegen Männer in her¬ 
vorragenden Stellungen veranstaltet. Am 15. Juni 1910 schoß 
der Student Bogdan Zerajic in Sarajevo auf den Landeschef von 
Bosnien, Feldzeugmeister von Varesanin. Am 8. Juni 1912 ver¬ 
übte der Student Kuka Jukic einen Revolveranschlag gegen den 
königlichen Kommissär von Cuvai in Agram. Er fehlte, tötete aber 
den Landrat von Hervolic. Am 20. Mai 1913 versuchte der 
Student Jakov Sefer ein Attentat gegen den Banus von Kroatien, 
Baron Skerlecz. Die Spuren aller dieser Anschläge führten nach 
Belgrad. Hier wurden die Pläne ausgeheckt, die Attentäter in 
der Ausführung unterrichtet und mit Mordwaffen ausgerüstet. 
Nach solchen Erfahrungen war die Sorge des Chefs des Gene¬ 
ralstabes um den Thronfolger begreiflich. Seine Einwände gegen 
die Reise hatten aber keinen Erfolg. Es überwogen die innen¬ 
politischen Motive der Reichslande, und das Reiseprogramm fand 
schließlich die Zustimmung des Kaisers. 
Als Zeuge der damaligen Ereignisse wie als Kenner der Vor¬ 
213
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.